Seit dem Sommer 2001 hielt ein Elternpaar drei seiner Töchter vom weiteren Besuch der Schule ab. Es gehört einer Glaubensgemeinschaft der bekennenden evangelisch-reformierten Gemeinde an. Zuvor verwarnte das Landgericht Gießen die Eltern und drohte mit einem Strafgeld von 800 Euro, sofern die Töchter nicht wieder zur Schule gingen. Dagegen erhoben die Eltern eine Verfassungsbeschwerde. Doch das Bundesverfassungsgericht ließ diese mangels Erfolgsaussichten nicht zu. Denn die Schulpflicht, die für alle Kinder gilt, dient der staatlichen Erziehung. Und dabei ist "die Offenheit für ein breites Spektrum von Meinungen und Auffassungen konstitutive Voraussetzung einer öffentlichen Schule in einem freiheitlich-demokratischen Gemeinwesen". Die Neutralität des Staates wird auch durch die Vermittlung von Geschlechtskrankheiten und Verhütungsmethoden nicht eingeschränkt. Genauso müsse es akzeptiert werden, dass im Biologierunterricht die Evolutionstheorie eine Rolle spielt und die Schöpfungsgeschichte nur in Religion Gehör findet. Allerdings stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass der Staat in besonderen Fällen einen "bewussten Verstoß" gegen die allgemeine Schulpflicht hinnehmen muss. Nämlich genau dann, wenn dies der "letzte Ausweg aus einem unauflöslichen Konflikt zwischen staatlichen und religiösen Verhaltensanforderungen" ist. Denn ansonsten könne eine Strafe die Menschenwürde verletzen. In diesem speziellen Fall konnten die Eltern jedoch nicht nachweisen, weshalb die Mädchen unbedingt von bestimmten Stunden fern bleiben sollten, um das elterliche Erziehungsrecht zu sichern.
Beschluss vom 31. Mai 2006 (Quelle: BVerfG PM 53/2006) [@]