Verfassungsrecht 2 BvR 2099/04 - Kein Fernmeldegeheimnis für gespeicherte Emails

  • Fernmeldegeheimnis für Handydaten und E-Mail nicht einschlägig

    Das Bundesverfassungsgericht hat am 2. März 2006 der Verfassungsbeschwerde einer Heidelberger Richterin stattgegeben. Die Karlsruher Richter haben die Rechtsanwendung eines baden-württembergischen Gerichts moniert, das zugrunde liegende Recht selbst aber nicht beanstandet.


    Mit seinem Urteil hat der Senat zugleich eine Entscheidung zur Reichweite des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG (des Grundgesetzes) getroffen, deren Bedeutung weit über den konkret entschiedenen Einzelfall hinausreicht.


    Entschieden hat das Gericht über den Umgang mit elektronischen Daten, die aus einem bereits abgeschlossenen Kommunikationsvorgang resultieren und die auf dem Endgerät eines Nutzers noch gespeichert sind. Solche Daten (z.B. vorhandene beweiserhebliche Dateien auf einer Computerfestplatte oder sog. Verkehrsdaten, aus denen sich ergibt, wer wann mit wem telefoniert hat) sind für die Ermittlungen von Strafverfolgern oftmals sehr wertvoll. Bislang war nicht abschließend geklärt, ob solche Daten auch dem Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 GG unterfallen. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass Art. 10 GG nur den Übertragungsvorgang selbst schützt. Die bei solch einem Übertragungsvorgang anfallenden Verkehrsdaten und die im Wege der Telekommunikation übertragenen Daten, die nach dem Ende der Nachrichtenübermittlung noch auf dem Endgerät gespeichert sind, werden danach nicht vom Fernmeldegeheimnis geschützt, sondern beziehen ihren grundrechtlichen Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.


    „Das Bundesverfassungsgericht hat damit die Rechtsauffassung der Bundesregierung bestätigt und Rechtssicherheit in einer für die Strafverfolgungsbehörden wesentlichen Frage hergestellt. Ich begrüße sehr, dass damit bewährte Ermittlungsmethoden weiterhin angewendet werden können. Die Entscheidung stellt klare und eindeutige Maßstäbe auf, anhand derer man zuverlässig beurteilen kann, wann der Zugriff auf solche Daten rechtlich zulässig ist“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.


    Die Einordnung des Gerichts, solche Daten grundrechtlich nicht durch das Fernmeldegeheimnis, sondern durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen, hat in der Praxis der Strafverfolgungsbehörden ganz erhebliche Auswirkungen:


    So kann beispielsweise auf Verkehrsdaten (z.B. wer hat wann mit wem telefoniert), die nach Ende eines Telefonats auf der SIM-Karte eines Mobiltelefons gespeichert werden, nach den Beschlagnahmeregeln der §§ 94 StPO ff. (der Strafprozessordnung) zugegriffen werden.


    Hätte - wie in einer Kammerentscheidung desselben Senats aus dem letzten Jahr gefordert - das Gericht den Schutz des Fernmeldegeheimnisses auf solche Daten erweitert, hätte man nur unter den strengeren Regeln der §§ 100g StPO und 100h StPO auf sie zugreifen können. Diese Normen setzen insbesondere voraus, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt, zudem sind Maßnahmen nach § 100g StPO stets nur aufgrund einer richterlichen Anordnung oder in Eilfällen durch den Staatsanwalt möglich. Maßnahmen nach § 94 StPO dürfen dagegen auch bei „einfachen“ Straftaten und auch von Polizeibeamten angeordnet werden.


    Klargestellt hat das Gericht zudem, dass auch Inhaltsdaten, die im Wege der Telekommunikation erlangt und anschließend auf der Festplatte eines Computers abgespeichert wurden (z.B. eine aus dem Internet herunter geladene Datei), nicht vom Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses erfasst sind. Auch für ihre Beschlagnahme müssen daher allein die Voraussetzungen der §§ 94 StPO ff. erfüllt sein. Hätte der Senat – wie in der zitierten Kammerentscheidung nahe gelegt - solche Daten vom Fernmeldegeheimnis umfasst, wäre die Beschlagnahme eines Computers unzulässig, auf dessen Festplatte aus dem Internet herunter geladene Dateien mit kinderpornografischem Inhalt gespeichert sind. Der „bloße“ Besitz solcher Dateien berechtigt nämlich nicht zur Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung und -aufzeichnung von Telekommunikationsinhalten nach §§ 100a StPO, 100b StPO, eine Beschlagnahme unter den Voraussetzungen des § 94 StPO ist dagegen zulässig.


    Die heutige Senatsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt, dass es für die Sicherstellung kinderpornografischer Bilder beim Besitzer nicht darauf ankommt, ob sie elektronisch aus dem Internet herunter geladen oder im Postweg versandt wurden. In beiden Fällen gilt: Sobald die Postsendung an den Betroffenen "ausgeliefert" ist, endet der Schutzbereich des Art. 10 GG. Unabhängig von der Art der Versendung "elektronisch oder per Briefpost - können also solche Beweismittel auch künftig nach den Beschlagnahmeregelungen der §§ 94 StPO ff. sichergestellt werden. [@]



    (Quelle: PM BMJ 02.03.2006)

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