Wettbewerbsrecht I ZR 241/19 - Pflicht von Internethändlern, über Herstellergarantien zu informieren

  • Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Internethändler Verbraucher nicht näher über die Herstellergarantie für ein angebotenes Produkt informieren müssen, wenn die Garantie kein zentrales Merkmal ihres Angebots ist.

    Fragen an EuGH zur Pflicht von Internethändlern, über Herstellergarantien zu informieren


    Inwieweit müssen Internethändler Verbraucher über Herstellergarantien für die angebotenen Produkte informieren?


    Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen vorgelegt, mit denen geklärt werden soll, inwieweit Internethändler Verbraucher über Herstellergarantien für die angebotenen Produkte informieren müssen.


    Sachverhalt:

    Die Parteien vertreiben Taschenmesser im Wege des Internethandels. Die Beklagte bot auf der Internetplattform Amazon ein Schweizer Offiziersmesser an. Die Angebotsseite enthielt unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" einen Link mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung". Nach dem Anklicken dieses Links öffnete sich ein Produktinformationsblatt, das folgenden Hinweis auf eine Garantie des Herstellers enthielt: "Die Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik zwei Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt." Weitere Informationen zur Garantie enthielt das Produktinformationsblatt nicht.

    Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten zu verbieten, den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu bewerben, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf hinzuweisen, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben.


    Bisheriger Prozessverlauf:

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß wegen eines Verstoßes gegen § 312d Abs. 1 S. 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG, § 3 Abs. 1 UWG, § 3a UWG zur Unterlassung verurteilt. Bei Fernabsatzverträgen ist der Unternehmer nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB verpflichtet, den Verbraucher "gegebenenfalls" über das Bestehen und die Bedingungen von Garantien zu informieren. Das Oberlandesgericht hat angenommen, diese Informationspflicht bestehe jedenfalls, wenn das Warenangebot - wie im Streitfall - einen Hinweis auf das Bestehen einer Garantie enthalte. Der Inhalt dieser Informationspflicht sei unter Rückgriff auf § 479 Abs. 1 BGB zu bestimmen. Nach dieser Vorschrift muss eine Garantieerklärung unter anderem den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und die Angabe des räumlichen Geltungsbereichs des Garantieschutzes enthalten. Das Oberlandesgericht hat gemeint, diese Angaben müssten auch zur Erfüllung der hier in Rede stehenden Informationspflicht gemacht werden.


    Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.


    Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

    Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union drei Fragen zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese Vorschrift wird durch § 312d Abs. 1 S. 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB nahezu gleichlautend in deutsches Recht umgesetzt. Zum einen soll durch den Gerichtshof der Europäischen Union geklärt werden, ob allein schon das bloße Bestehen einer Herstellergarantie die Informationspflicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU auslöst oder - falls dem nicht so ist - die Informationspflicht durch die bloße Erwähnung einer Herstellergarantie im Angebot des Unternehmers ausgelöst wird oder dann, wenn die Erwähnung für den Verbraucher ohne weiteres erkennbar ist. Darüber hinaus ist fraglich, ob eine Informationspflicht auch besteht, wenn für den Verbraucher ohne weiteres ersichtlich ist, dass der Unternehmer nur Angaben des Herstellers zur Garantie zugänglich macht. Schließlich wird der Gerichtshof der Europäischen Union um Beantwortung der Frage gebeten, ob die nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU erforderliche Information über das Bestehen und die Bedingungen einer Herstellergarantie dieselben Angaben enthalten muss wie eine Garantie nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, oder ob weniger Angaben genügen. Die zuletzt genannte Bestimmung ist durch § 479 Abs. 1 BGB in deutsches Recht umgesetzt worden.


    BGH-Beschluss vom 11. Februar 2021 - I ZR 241/19; BGH PM 31/2021

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    Erneute Entscheidung des BGH


    Bisheriger Prozessverlauf:


    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.


    Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 11. Februar 2021 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher zur Vorabentscheidung vorgelegt (dazu BGH PM 31/2021 vom 11. Februar 2021).


    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über die Fragen durch Urteil vom 5. Mai 2022 (C-179/21) entschieden.


    Entscheidung des Bundesgerichtshofs:


    Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt. Die Beklagte hat sich nicht unlauter verhalten, weil sie in ihrem Internetangebot keine näheren Angaben zu der im verlinkten Produktinformationsblatt erwähnten Herstellergarantie gemacht hat.


    Die Beklagte hat sich nicht nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG aF (nun § 5a Abs. 1 UWG, § 5b Abs. 4 UWG nF) unlauter verhalten, weil sie den Verbrauchern keine nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB aF (nun Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB nF) vor Vertragsschluss zu erteilende Information über die Herstellergarantie vorenthalten hat. Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung der vorgenannten Bestimmungen, die der Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU dienen.


    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Unternehmer die Verbraucher vor Abschluss eines Kaufvertrags über die Bedingungen der Herstellergarantie informieren muss, wenn er die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht und so als Verkaufsargument einsetzt. Erwähnt er dagegen die Herstellergarantie nur beiläufig, so dass sie aus Sicht der Verbraucher kein Kaufargument darstellt, muss er keine Informationen über die Garantie zur Verfügung stellen.


    Im Streitfall stellt die Herstellergarantie kein wesentliches Merkmal des Angebots der Beklagten dar. Sie wird auf der Angebotsseite selbst nicht erwähnt, sondern findet sich an untergeordneter Stelle in einem Produktinformationsblatt. Auf dieses Produktinformationsblatt gelangt der Verbraucher nur, wenn er einen Link anklickt, der unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" steht und mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung" versehen ist und daher eher auf eine technisch-funktionale Erläuterung hindeutet.


    Die Beklagte hat mangels eines Verstoßes gegen die Marktverhaltensregelung des § 479 Abs. 1 BGB auch keine nach § 3a UWG unlautere Handlung begangen. Die in § 479 Abs. 1 BGB normierte Pflicht zur Information über den Gegenstand und den Inhalt einer (Hersteller-)Garantie greift erst ein, wenn der Unternehmer dem Verbraucher ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Garantievertrags unterbreitet. Im Streitfall enthielt der auf der Angebotsseite befindliche Link auf das Produktinformationsblatt mit der Herstellergarantie noch kein verbindliches Garantieversprechen.


    BGH-Urteil vom 10. November 2022 - I ZR 241/19; BGH PM 158/2022


    Vorinstanzen:

    LG Bochum - Urteil vom 21. November 2018 - I-13 O 110/18

    OLG Hamm - Urteil vom 26. November 2019 - I-4 U 22/19

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