Kaufrecht VIII ZR 240/15 - BGH zum sog. "Vorführeffekt"

  • Nachbesserungsanforderungen bei nur sporadisch auftretendem Mangel

    Zum Sachverhalt:


    Der Kläger kaufte von der beklagten Kraftfahrzeughändlerin einen gebrauchten Volvo V 50 zum Preis von 12.300 €. Kurze Zeit nach der Übergabe des Fahrzeugs bemängelte der Kläger (u.a.), das Kupplungspedal sei nach Betätigung am Fahrzeugboden hängengeblieben, so dass es in die Ausgangsposition habe zurückgezogen werden müssen.


    Bei einer daraufhin von der Beklagten durchgeführten Untersuchungsfahrt trat der vom Kläger gerügte Mangel am Kupplungspedal allerdings auch bei mehrmaliger Betätigung der Kupplung nicht auf. Während der Kläger gleichwohl, allerdings vergeblich, auf einer umgehenden Mangelbehebung bestanden haben will, will die Beklagte ihm nach ihrer Darstellung lediglich mitgeteilt haben, dass derzeit kein Grund zur Annahme einer Mangelhaftigkeit und somit für ein Tätigwerden bestehe und der Kläger das Fahrzeug bei erneutem Hängenbleiben des Kupplungspedals wieder bei ihr vorstellen solle. Nachdem der Kläger in den folgenden Tagen unter Hinweis auf ein erneutes Hängenbleiben des Kupplungspedals vergeblich versucht hatte, die Beklagte zu einer Äußerung über ihre Reparaturbereitschaft zu bewegen, trat er vom Kaufvertrag zurück.


    Bisheriger Prozessverlauf:


    Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und den Ersatz weiterer Schäden gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage im Wesentlichen stattgegeben, nachdem ein eingeholtes Sachverständigengutachten das sporadische Hängenbleiben des Kupplungspedals bestätigt hatte. Nach Auffassung des Berufungsgerichts konnte der Kläger ohne Fristsetzung vom Kaufvertrag zurückgetreten. Denn er habe das Verhalten des Beklagten als ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB) verstehen dürfen. Auch bei einem nur sporadisch auftretenden Mangel, welcher derart sicherheitsrelevante Fahrzeugteile wie die Kupplung betreffe, sei der Verkäufer gehalten, das Fahrzeug näher zu untersuchen und es gegebenenfalls auch über einen Zeitraum von mehreren Tagen zu überprüfen. Dass der Mangel letztlich mit geringen Kosten habe beseitigt werden können, führe nicht zu einer dem Rücktritt entgegen stehenden Unerheblichkeit eines Mangels (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB), wenn der Verkäufer - wie hier - einen solchen unklaren sicherheitsrelevanten Funktionsmangel schlicht in Abrede stelle. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf vollständige Abweisung der Klage gerichtetes Begehren weiter.


    Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:


    Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Kläger auch ohne Fristsetzung zur Nachbesserung wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten konnte, weil es ihm trotz des nur sporadischen Auftreten des Mangels aufgrund dessen Relevanz für die Verkehrssicherheit des Kraftfahrzeugs nicht im Sinne von § 440 Satz 1 BGB zumutbar war, ein weiteres Auftreten der Mangelsymptome abzuwarten.


    Der Kläger hat den Anforderungen an ein hinreichendes Nacherfüllungsverlangen bereits dadurch genügt, dass er der Beklagten neben der Einräumung einer Untersuchungsmöglichkeit die Mangelsymptome hinreichend genau bezeichnet hatte.


    Bei dem durch Sachverständigengutachten bestätigten und bereits bei Gefahrübergang vorhandenen sporadischen Hängenbleiben des Kupplungspedals handelte es sich nicht um einen bloßen "Komfortmangel" , sondern um einen sicherheitsrelevanten Mangel. Denn eine solche Fehlfunktion kann, selbst wenn sie nur das Kupplungspedal selbst betrifft, unter anderem wegen des beim Fahrer hervorgerufenen Aufmerksamkeitsverlusts die Unfallgefahr signifikant erhöhen. Mit ihrer Erklärung anlässlich der Vorführung des Fahrzeugs, es bestünde kein Grund für die Annahme einer Mangelhaftigkeit und damit ein Tätigwerden, solange der behauptete Mangel nicht (erneut) auftrete und der Kläger damit nochmals vorstellig werde, ist die Beklagte dem Nacherfüllungsverlangen nicht gerecht geworden.


    Denn eine verantwortungsvolle Benutzbarkeit des Fahrzeugs war ohne Abklärung des Mangels weitgehend aufgehoben, da der verkehrsunsichere Zustand fortbestand und es dem Kläger - der das Fahrzeug insofern auch tatsächlich noch im Juli 2013 stilllegte - nicht zugemutet werden konnte, das Risiko der Benutzung im öffentlichen Straßenverkehr auf sich zu nehmen.


    Ein Rücktritt war im vorliegenden Fall auch nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) ausgeschlossen, auch wenn dieser letzten Endes (nachdem der Kläger den Rücktritt bereits erklärt hatte) mit geringen Kosten (433,49 €) beseitigt werden konnte. Denn solange die Ursache eines aufgetretenen Mangelsymptoms unklar ist, kann die Erheblichkeit des Mangels regelmäßig nur an der hiervon ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung gemessen werden, die vorliegend aufgrund der Gefahren für Verkehrssicherheit des Fahrzeugs jedenfalls als erheblich anzusehen war.


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    BGH-Urteil: vom 26. Okt 2016; Az. VIII ZR 240/15; BGH PM 178/2016 und BGH PM 190/2016

    Vorinstanzen:

    Landgericht Kiel - Urteil vom 18. Mai 2015 - 12 O 259/13

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht - Urteil vom 2. Oktober 2015 - 17 U 43/15

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