B 1 SF 1/08 R - Zuständigkeit der Sozialgerichte für Klagen gegen Entscheidungen der Vergabekammern über Arzneimittel-Rabattverträge

  • Wie das Bundessozialgericht am 22. April 2008 - B 1 SF 1/08 R - entschieden hat, haben Sozial- und Lan­dessozialgericht zutreffend vorab den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozial­gerichtsbarkeit für zu­lässig erklärt.
    Arzneimittelrabattverträge sind sonstigen Verträgen zur Beschaffung von Heilmitteln oder Hilfsmitteln ähnlich. Sie dienen nämlich dazu, unmittelbar den gesetzlichen Auftrag der Krankenkassen zur Ver­sorgung der Versicherten zu erfüllen.

    Die klagenden Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOKn) schrieben Mitte 2007 Arzneimittelrabatt­ver­träge aus, um Einsparungen zu erzielen. Sie erhielten Angebote für 83 Arzneimittel-Wirkstoffe und wählten intern Pharmaunternehmen aus, mit denen sie später die Rabattverträge abschließen wollten. Sie informierten sämtliche an der Ausschreibung teilnehmenden Pharmaunternehmen Anfang Sep­tember 2007 darüber, in 14 Tagen die Rabattverträge abschließen zu wollen. Auf Antrag der T. GmbH, einem Pharmaunternehmen, Verstöße gegen das Vergaberecht nachzuprüfen, verbot die bei der Bezirksregierung Düsseldorf errichtete Vergabekammer den Klägerinnen daraufhin, Zuschläge auf die Angebote zu erteilen. Die Klägerinnen konnten daher in der Folgezeit keine Rabattverträge schließen. Sie schätzen den wirtschaftlichen Schaden für 2008 und 2009 auf etwa 500 bis 800 Millio­nen Euro und riefen das Sozialgericht Stuttgart an.


    Wie das Bundessozialgericht am 22. April 2008 - B 1 SF 1/08 R - entschieden hat, haben Sozial- und Lan­dessozialgericht zutreffend vorab den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozial­gerichtsbarkeit für zu­lässig erklärt.


    Die Rechtsweg­zuweisung zu den Ge­richten der Sozialgerichtsbar­keit hat ihren Grund in erster Linie in der Systementscheidung des Gesetzgebers zu Gunsten der Sozialgerichtsbarkeit, die in § 130a Abs 9 und § 51 Sozialgerichtsgesetz unmiss­verständlich zum Ausdruck kommt. Sollte Vergabe­recht ‑ worüber hier nicht zu entscheiden war ‑ bei Rabattver­trägen zur Anwendung kommen, bildet dieses nur einen Teilaspekt derjenigen Gesichts­punkte, die vom Gericht bei der Überprüfung von Vergabeent­scheidungen zu berücksichtigen sind. Ebenso gewichtig wie ver­gabetechnische und ver­gaberechtliche Gesichtspunkte sind die systematischen Zusammenhänge der beabsichtigten Rabatt­verträge mit den Funktions- und Wirkungszusammenhängen des Ver­trags- und Leistungssystems der GKV.


    Arzneimittelrabattverträge sind sonstigen Verträgen zur Beschaffung von Heilmitteln oder Hilfsmitteln ähnlich. Sie dienen nämlich dazu, unmittelbar den gesetzlichen Auftrag der Krankenkassen zur Ver­sorgung der Versicherten zu erfüllen. Sie unterscheiden sich dadurch ganz maßgeblich von gewöhn­lichen fiskalischen Hilfsgeschäften der öffentlichen Hand und auch der Krankenkassen, die nur mittel­bar deren Funktions- und Arbeitsfähigkeit erhalten sollen (zB Kauf von Büromaterial, Büroeinrichtun­gen, Gebäuden, Fahrzeugen, Tele­kommunikation usw). Arzneimittelrabattverträge sind selbst unmit­telbarer Bestandteil der den Krankenkassen zugewiesenen Auf­gaben. Nur durch und nach Abschluss derartiger Leistungs­beschaffungsverträge sind die Kranken­kassen in der Lage, ihre unaufschieb­bare Pflicht zu erfüllen, die ihren über 70 Millionen Versicherten gesetzlich zustehenden Sachleistungs­ansprüche zu befriedigen. Das Leistungserbringerrecht der GKV hat damit zentrale Be­deutung für die Funktions- und Steuerungsfähigkeit der GKV und der Ver­sorgung der Bevölkerung mit Gesundheits­leistungen. Das Gesetz weist daher das Leistungserbringer­recht aus Gründen des Sach­zusammen­hangs und der Konzentration der jeweiligen - öffentlich-­recht­lichen - Gerichtsbarkeit zu, die auch an­sonsten über die im Rahmen der GKV entstehenden Streitig­keiten entscheidet. Insoweit gilt für das Vergaberecht nichts anderes als für das Kartell- und Wett­bewerbsrecht.


    Az.: B 1 SF 1/08 R

    AOK Baden-Württemberg und weitere 14 AOKn ./. Bezirksregierung Düsseldorf 32 beigeladene Unternehmen der pharmazeutischen Industrie


    SG Stuttgart - S 4 KR 3735/04 -

    LSG Baden-Württemberg - L 5 KR 316/08 B


    Quelle: BSG PM 18/08 [@]

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