Die Annahme der Kommission, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auf den Endkundenmärkten für die Bereitstellung von Fernsehsignalen in Deutschland keine Wettbewerber seien, ist nicht zu beanstanden.
Vodafone1, eine Gesellschaft, die im Vereinigten Königreich ihren Sitz hat und auf Mobilfunk-, Fernseh- und Internetdienste spezialisiert ist, teilte der Europäischen Kommission im Oktober 2018 mit, dass sie beabsichtige, die alleinige Kontrolle über das Telekommunikationsgeschäft von Liberty Global2 in Deutschland, in der Tschechischen Republik, in Ungarn und in Rumänien zu erwerben. In Deutschland sollte der Zusammenschluss durch den Erwerb sämtlicher Anteile von Unitymedia, einem Anbieter von Fernsehdiensten und Breitband-Internet3, erfolgen.
Die Kommission hatte ursprünglich ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt geäußert, diesen dann aber im Juli 2019 doch genehmigt.4 Die Genehmigung wurde unter der Bedingung erteilt, dass Vodafone die Verpflichtungen, die sie zur Behebung der von der Kommission festgestellten
Wettbewerbsprobleme eingegangen ist, einhält.
Drei deutsche Anbieter – Deutsche Telekom AG, Tele Columbus AG und NetCologne Gesellschaft für Telekommunikation AG – haben beim Gericht der Europäischen Union Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission erhoben. Sie befürchten, dass Vodafone insbesondere auf den Endkundenmärkten für die Bereitstellung von Fernsehsignalen in Deutschland eine beherrschende Stellung haben würde, und meinen, dass der Kommission hinsichtlich der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb offensichtliche Beurteilungsfehler unterlaufen seien.
Das Gericht weist die Klagen als unbegründet ab und bestätigt damit den streitigen Beschluss.
Der Kommission ist kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, weil sie angenommen hat, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss auf den Endkundenmärkten für die Bereitstellung von Fernsehsignalen für Kunden, die in Deutschland in Mehr-oder Einfamilienhäusern leben, weder tatsächliche (unmittelbar oder mittelbar) noch potenzielle Wettbewerber gewesen seien. Die Feststellung der Kommission, dass durch den Zusammenschluss kein Wettbewerb zwischen den an den Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ausgeschaltet werden würde und auf den relevanten Märkten wirksamer Wettbewerb nicht erheblich beeinträchtigt werden würde5, ist daher nicht zu beanstanden.
Das Gericht weist darauf hin, dass nur Zusammenschlüsse, durch die wirksamer Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert werden würde, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar zu erklären sind. Der Umstand, dass durch einen Zusammenschluss eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt werden würde, ist an sich nicht ausreichend, um den Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt unvereinbar anzusehen. Die Feststellung der Kommission, dass keine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs vorliege, die die unmittelbare und sofortige Folge des Zusammenschlusses wäre, ist daher, auch wenn Vodafone auf den relevanten Märkten eine beherrschende Stellung erlangt hat, nicht zu beanstanden.
EuGH-Urteile des Gerichts in den Rechtssachen T-58/20 | NetCologne / Kommission, T-64/20 | Deutsche Telekom / Kommission und T-69/20 | Tele Columbus / Kommission | 13. Nov 2024 | EuGH PM 193/2024
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1 Die Vodafone Group plc ist in zwölf Mitgliedstaaten präsent, unter anderem in der Tschechischen Republik, in Deutschland, in Ungarn und in Rumänien. In Deutschland ist Vodafone in 13 von 16 Ländern als Anbieter von Fernsehdiensten, Breitband-Internet und Mobilfunkdiensten tätig.
2 Die Liberty Global plc, die ihren Sitz im Vereinigten Königreich hat, bietet in verschiedenen Mitgliedstaaten Fernsehdienste, Breitband-Internet und Mobilfunkdienste an. Liberty Global agiert in Deutschland als Unitymedia GmbH, in der Tschechischen Republik, in Ungarn und in Rumänien als UPC.
3 Unitymedia ist in den drei Ländern, auf die sich das Kabelnetz von Vodafone nicht erstreckt (Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg) Eigentümerin eines Koaxialkabelnetzes.
4 Beschluss K(2019) 5187 endg. der Kommission vom 18. Juli 2019, mit dem der auf den Erwerb bestimmter Vermögenswerte der Liberty Global Plc durch die Vodafone Group Plc gerichtete Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen vereinbar erklärt wurde (Sache COMP/M.8864 – Vodafone/Certain Liberty Global Assets). Vgl. auch die am selben Tag herausgegebene Pressemitteilung PM IP/19/4349 der Kommission.
5 Im Sinne von Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen.