Sozialrecht B 10 EG 1/22 R - Höheres Elterngeld für Frauen nur bei Einkommensverlusten wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung

  • Einer schwangeren Frau steht kein höheres Elterngeld zu, wenn sie im Bemessungszeitraum arbeitslos war und ihren bisherigen Beruf schwangerschaftsbedingt nicht wieder aufnehmen konnte. Vielmehr kommt die Gewährung eines höheren Elterngelds nur in Betracht, wenn Ursache des geringeren Erwerbseinkommens eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung war. Das hat der 10. Senat des Bundessozialgerichts am 9. März 2023 entschieden (Aktenzeichen B 10 EG 1/22 R).

    Die Klägerin kann nicht beanspruchen, dass die Monate der Arbeitslosigkeit vor der Geburt ihres Kindes bei der Elterngeldberechnung unberücksichtigt bleiben und durch frühere Monate mit Erwerbseinkommen ersetzt werden, wie dies bei einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung vorgesehen ist. Eine solche Erkrankung lag bei ihr nicht vor. Die gesetzliche Regelung ist auch nicht entsprechend anzuwenden. Hierfür fehlt es an einer planwidrigen


    Regelungslücke im Gesetz. Der Gesetzgeber hat abschließend geregelt, welche Tatbestände eine Verschiebung des Bemessungszeitraums für die Berechnung des Elterngelds ermöglichen. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf Einkommenseinbußen wegen Arbeitslosigkeit. Der Gesetzgeber durfte das wirtschaftliche Risiko von Arbeitslosigkeit bei der Regelung des Elterngelds als Einkommensersatzleistung ohne Verfassungsverstoß der Sphäre der Elterngeldberechtigten zuweisen.


    BSG PM 08/2023


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    Aus dem Fall:


    D. R. ./. Landkreis Harburg


    Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldanspruchs der Klägerin für ihr im Februar 2018 geborenes zweites Kind.


    Die Klägerin arbeitet seit 2001 als Kameraassistentin insbesondere bei Filmproduktionen. Wie in der Filmbranche üblich, setzte sich ihre Erwerbsbiografie aus einer Vielzahl von auf die Laufzeit des jeweiligen Filmprojekts befristeten abhängigen Beschäftigungsverhältnissen zusammen, zwischen denen jeweils Zeiten der Arbeitslosigkeit liegen. Die letzte dieser Beschäftigungen vor der Geburt des Kindes endete im Juli 2017. Anschließend bezog sie Arbeitslosengeld. Nach Feststellung ihrer Schwangerschaft im August 2017 war es der Klägerin nicht mehr möglich, weitere Beschäftigungen als Kameraassistentin aufzunehmen, weil sie diese auch körperlich anspruchsvolle Tätigkeit aus Gründen des Arbeitsschutzes nach dem Mutterschutzgesetz nicht mehr wie zuvor ausüben konnte. In den Monaten Januar bis Februar 2018 bezog sie Mutterschaftsgeld.


    Der beklagte Landkreis bewilligte der Klägerin antragsgemäß Elterngeld. Als Bemessungszeitraum für die Ermittlung des vorgeburtlichen Einkommens zog er die Monate Januar bis Dezember 2017 heran. Entsprechend den vorgelegten Lohnbescheinigungen berücksichtigte er das Erwerbseinkommen für die Monate Januar bis Juli 2017. Die Monate der Arbeitslosigkeit von August bis Dezember 2017 brachte er jeweils mit null Euro in Ansatz.


    Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass der Beklagte ihr Bemessungseinkommen zu niedrig festgesetzt habe. Bei der Berechnung ihres vorgeburtlichen Erwerbseinkommens dürften keine Zeiträume berücksichtigt werden, in denen sie arbeitslos und schwangerschaftsbedingt an der Wiederaufnahme ihres Berufs gehindert gewesen sei. Das Sozialgericht hat die Klage abwiesen. Zwar blieben Kalendermonate unberücksichtigt, in denen Frauen maßgeblich durch eine Schwangerschaft bedingt krank gewesen seien und dadurch ein geringeres Einkommen aus Erwerbstätigkeit gehabt hätten. Die Klägerin sei aber nicht krank, sondern arbeitslos gewesen. Sie hätte zwar nicht als Kameraassistentin arbeiten, aber andere körperlich weniger belastende Tätigkeiten ausüben können.


    Das Landessozialgericht hat die Entscheidung des Sozialgerichts aufgehoben und den Beklagten verurteilt, Elterngeld auf der Grundlage eines auf die Zeit von August 2016 bis Juli 2017 zurückverschobenen Bemessungszeitraums zu zahlen. Bei der Berechnung des Elterngelds müssten auch solche Monate unberücksichtigt bleiben, in denen die Klägerin durch ihre Schwangerschaft an der Wiederaufnahme ihres Berufs gehindert gewesen sei. Dies ergebe sich aus einer analogen Anwendung der gesetzlichen Regelung für den Fall einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung. Dafür spreche auch der verfassungsrechtliche Anspruch von schwangeren Frauen auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft.


    Mit ihrer Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 2b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BEEG. Eine analoge Anwendung der Regelung für schwangerschaftsbedingte Erkrankungen komme nicht in Betracht. Die gesetzlich normierten Ausklammerungstatbestände seien abschließend geregelt. Auch fehle es an einer Vergleichbarkeit. Bei der Klägerin habe sich kein schwangerschaftsbedingtes gesundheitliches Risiko nachteilig ausgewirkt, sondern ihre Arbeitslosigkeit durch ihre atypische Tätigkeit als kurzfristig Beschäftigte. Die analoge Anwendung würde zudem zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand führen. Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen nicht gehalten, jede mit der Schwangerschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen.


    Verfahrensgang:

    Sozialgericht Lüneburg, S 8 EG 1/19, 26.11.2020

    Landessozialgericht Niedersachen-Bremen, L 2 EG 4/20, 24.01.2022

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