Sozialrecht B 2 U 20/20 R - Rauchender Schüler außerhalb des Schulgeländes nicht unfallversichert

  • Ein Schüler, der in der Schulpause den an die Schule angrenzenden Stadtpark zum Rauchen aufsucht, steht nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies hat der 2. Senat des Bundessozialgerichts entschieden (B 2 U 20/20 R).

    L. K. ./. Unfallkasse Nord

    Der Kläger war als Gymnasiast bei der beklagten Unfallkasse versichert. Am 18.1.2018 hielt sich der damals volljährige Kläger erlaubterweise in der Schulpause zur Erholung mit zwei Mitschülern im Stadtpark in unmittelbarer Nähe der Schule auf und rauchte mit einem der Mitschüler Zigaretten. An diesem Tag herrschte Unwetter mit Sturm und Schneefall. Während des Aufenthalts fiel dem Kläger ein Ast auf Kopf und Körper. Dadurch erlitt er u.a. ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.


    Anders als das Sozialgericht hat das Landessozialgericht die Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls abgewiesen. Der Aufenthalt im Stadtpark habe nicht unter Versicherungs­schutz gestanden, weil er nicht im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule erfolgt sei. Der Einflussbereich der Schule habe ebenso wie die Aufsichtspflicht und -möglichkeit am Schultor geendet. Anhaltspunkte dafür, dass eine besondere Belastungssituation im Unterricht den Spaziergang im Stadtpark notwendig gemacht haben könnte, um die Schulfähigkeit des Klägers zu erhalten bzw wiederherzustellen, seien nicht ersichtlich.


    Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII iVm § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst b SGB VII. Versicherungsschutz als Schüler bestehe während der Schulpause unabhängig davon, ob diese auf dem Schulgelände oder außerhalb des Schulgeländes verbracht werde. Der Stadtpark sei von der Schulleitung als sogenannter erweiterter Schulhof angesehen und als solcher behandelt worden.


    Aus dem Urteil:


    Die Revision des Klägers war ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landessozialgericht die auf Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Arbeitsunfall als Schüler erlitten als er während der Schulpause im schulnahen Stadtpark von einem herabstürzenden Ast verletzt wurde.


    Der Aufenthalt im Park zum Zeitpunkt des Unfalles erfolgte außerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule. Der organisatorische Verantwortungsbereich der Schule während der Pausen war bereits im Hinblick auf die räumlichen Verhältnisse auf das Schulgelände beschränkt. Die Gestattung zum Verlassen des Schulgeländes während der Schulpausen war nicht als Lockerung der im Übrigen fortbestehenden Aufsichtspflicht gedacht, sondern bezog sich lediglich auf privatwirtschaftliche Tätigkeiten. Trotz der relativen Enge des Schulhofs war der Aufenthalt außerhalb des Schulgeländes während der Schulpausen nicht zwingend erforderlich und somit kein notwendiger Bestandteil der Unterrichtspausen. Für eine Einvernahme des Stadtparks als erweiterter Schulhof fehlt das hierfür nötige Mindestmaß an schulischer Einflussnahme.


    Dahinstehen kann, ob ein Parkaufenthalt während der Schulpausen unter Versicherungsschutz gestanden hätte, wenn dieser aufgrund des Schulbesuches erforderlich wäre, um sich zu erholen. Nichts spricht dafür, dass am Tag des Unfalls eine erforderliche Erholung nicht auch innerhalb des Schulgebäudes möglich gewesen wäre. Soweit der Kläger den Park zum Rauchen aufgesucht hat, weil auf dem Schulgelände ein Rauchverbot galt, führt dies ebenfalls nicht zum Versicherungsschutz.


    Anders als das Verlassen der Schule zum Zwecke der Beschaffung von erforderlichen Nahrungsmitteln (vgl Urteil vom 19.5.1983 - 2 RU 44/82) steht die Einnahme von Genussmitteln mit dem Schulbesuch in keinem sachlichen Zusammenhang. Versicherungsschutz bestand schließlich auch dann nicht, wenn die Schule einen Hinweis auf fehlenden Versicherungsschutz unterlassen haben sollte. Zwar dürfen durch unklares oder missverständliches Verhalten von Schule und Lehrkräften keine vermeidbaren Schutzlücken zulasten der Schüler entstehen (vgl Urteil vom 23.1.2018 - B 2 U 8/16 R). Unklarheiten aufgrund zu offener schulischer Vorgaben waren im Falle des Klägers aber bereits durch klare räumliche Grenzen und deren Kontrolle ausgeräumt.


    BSG-Urteil vom 28. Jun 2022; B 2 U 20/20 R; BSG PM 22/2022 und BSG PM 25/2022


    Vorinstanzen:
    SG Hamburg - S 40 U 227/18 - 29.11.2019
    LSG Hamburg - L 2 U 1/20 - 28.10.2020

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