Kartellrecht T-286/09 - 1,06 Mrd. Euro Geldbuße gegen Intel

  • Das Unternehmen hat von 2002 bis 2007 seine marktbeherrschende Stellung der x86-Prozessoren missbräuchlich ausgenutzt

    Die Klage von Intel gegen die Entscheidung der Kommission wird in vollem Umfang abgewiesen.


    Mit Entscheidung vom 13. Mai 20091 verhängte die Kommission gegen den amerikanischen Mikroprozessorhersteller Intel eine Geldbuße in Höhe von 1,06 Mrd. Euro, weil dieses Unternehmen seine beherrschende Stellung auf dem Markt der x862-Prozessoren3 unter Verletzung der Wettbewerbsregeln der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) missbräuchlich ausgenutzt habe.


    Die Kommission gab Intel zudem auf, die Zuwiderhandlung, falls nicht bereits geschehen, sofort abzustellen.


    Intel habe seine beherrschende Stellung auf dem Weltmarkt für x86-Prozessoren von Oktober 2002 bis 2007 missbräuchlich ausgenutzt, indem das Unternehmen eine Strategie zum Marktausschluss des einzigen ernsthaften Wettbewerbers, der Advanced Micro Devices, Inc. (AMD)4, umgesetzt habe.


    Intel habe eine beherrschende Stellung innegehabt, weil der Marktanteil des Unternehmens mindestens 70% betragen habe und es für die Wettbewerber wegen der Nichtamortisierbarkeit der Investitionen in Forschung und Entwicklung, gewerblichen Rechtsschutz und Produktionsanlagen äußerst schwierig gewesen sei, in den Markt einzutreten und sich dort zu behaupten. Aufgrund seiner starken beherrschenden Stellung habe an Intel als Lieferant von x86-Prozessoren kein Weg vorbeigeführt. Die Kunden seien gezwungen gewesen, einen Teil ihres Bedarfs dort zu decken.


    Die missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung5 sei durch mehrere Maßnahmen gekennzeichnet gewesen, die Intel gegenüber seinen Kunden (Computerherstellern) und dem europäischen Elektronik-Einzelhandelsunternehmen Media-Saturn-Holding getroffen habe.


    Intel habe vier führenden Computerherstellern (Dell, Lenovo, HP und NEC) Rabatte gewährt, die an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass sie alle oder nahezu alle x86-Prozessoren bei Intel kauften. Ebenso habe Intel Zahlungen an Media-Saturn geleistet, die an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass Media-Saturn nur Computer mit x86-Prozessoren von Intel verkaufe. Diese Rabatte und Zahlungen hätten die Treue dieser vier Hersteller und von Media-Saturn sichergestellt und dadurch die Fähigkeit der Wettbewerber von Intel, einen auf den Vorzügen ihrer x86-Prozessoren basierenden Wettbewerb zu führen, erheblich verringert. Das wettbewerbswidrige Verhalten von Intel habe mithin dazu beigetragen, die Wahlmöglichkeit der Verbraucher und die Anreize für Innovationen zu mindern.


    Ferner habe Intel an drei Computerhersteller (HP, Acer und Lenovo) Zahlungen geleistet, die an die Bedingung geknüpft gewesen seien, Produkte mit AMD-Prozessoren später oder gar nicht auf den Markt zu bringen und/oder den Vertrieb solcher Produkte zu beschränken.


    Die Kommission setzte die gegen Intel verhängte Geldbuße anhand der Leitlinien von 2006 auf 1,06 Mrd. Euro6 fest. Es handelt sich um die höchste Geldbuße, die von der Kommission jemals gegen ein einziges Unternehmen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verhängt wurde.


    Intel hat beim Gericht Klage erhoben, mit der sie die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission, zumindest aber eine erhebliche Herabsetzung der Geldbuße begehrt7.

    Mit seinem heutigen Urteil weist das Gericht die Klage ab und bestätigt damit die Entscheidung der Kommission.

    Das Gericht stellt insbesondere fest, dass es sich bei den Dell, HP, NEC und Lenovo gewährten Rabatten um Exklusivitätsrabatte handelt. Solche Rabatte sind, wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährt werden, mit dem Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Von Ausnahmefällen abgesehen, beruhen sie nämlich nicht auf einer wirtschaftlichen Leistung, die einen solchen finanziellen Vorteil rechtfertigt, sondern zielen darauf ab, dem Abnehmer die freie Wahl seiner Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren und anderen Herstellern den Zugang zum Markt zu verwehren. Gibt es für sie keine objektive Rechtfertigung, stellen sie eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung dar. Von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährte Exklusivitätsrabatte sind bereits ihrer Art nach geeignet, den Wettbewerb zu beschränken und die Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Es braucht daher nicht anhand der Umstände je des Einzelfalls nachgewiesen zu werden, dass sie geeignet waren, den Wettbewerb zu beschränken.


    Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass ein Wettbewerber, um ein attraktives Angebot zu unterbreiten, einem Kunden von Intel nicht nur attraktive Konditionen für die Waren anbieten muss, die er selbst liefern kann. Er muss auch das mit der Belieferung durch ihn verbundene Risiko des Kunden kompensieren, den Exklusivitätsrabatt zu verlieren. Will der Wettbewerber ein attraktives Angebot unterbreiten, muss er also den Rabatt, den Intel für den gesamten oder nahezu gesamten Bedarf des Kunden gewährt (einschließlich des Bedarfs, den nur Intel als Lieferant, an dem kein Weg vorbeiführt, decken kann), allein auf den Teil umlegen, den er dem Kunden anbieten kann.


    Da Exklusivitätsrabatte, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung gewährt, bereits ihrer Art nach geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken, war die Kommission – entgegen der Ansicht von Intel – nicht zu einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls verpflichtet, um nachzuweisen, dass die Rabatte konkret oder potentiell dazu führten, die Wettbewerber aus dem Markt zu drängen.


    Das Gericht führt in diesem Zusammenhang aus, dass nicht mittels des sogenannten „as efficient competitor test“ geprüft zu werden braucht, ob die Kommission die Geeignetheit der Rabatte, einen ebenso effizienten Wettbewerber wie Intel zu verdrängen, richtig beurteilt hat. Mittels eines solchen Tests soll der Preis ermittelt werden, zu dem ein ebenso effizienter Wettbewerber wie das Unternehmen in marktbeherrschender Stellung seine Produkte hätte anbieten müssen, um den Kunden für den Verlust des vom Unternehmen in beherrschender Stellung gewährten Rabatts zu entschädigen. Da die von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährten Exklusivitätsrabatte bereits ihrer Art nach geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken, war die Kommission nicht verpflichtet, im Rahmen einer Prüfung der Umstände des Einzelfalls nachzuweisen, dass die von Intel gewährten Rabatte geeignet waren, AMD aus dem Markt zu drängen. Dass der Wettbewerber seine Kosten trotz der gewährten Rabatte noch decken konnte, schließt eine Verdrängungswirkung im Übrigen nicht aus. Der Mechanismus der Exklusivitätsrabatte ist nämlich geeignet, den Zugang zum Markt für die Wettbewerber des Unternehmens in beherrschender Stellung zu erschweren, auch wenn der Zugang wirtschaftlich nicht unmöglich ist.


    Zu den Zahlungen an Media-Saturn stellt das Gericht fest, dass es sich um denselben wettbewerbswidrigen Mechanismus handelt wie bei den Verhaltensweisen gegenüber den Computerherstellern, jedoch in einem späteren Stadium der Lieferkette. Die Kommission war daher nicht verpflichtet, anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob diese Zahlungen den Wettbewerb beschränken konnten. Sie musste lediglich nachweisen, dass Intel einen unter der Bedingung der Exklusivität stehenden finanziellen Anreiz gewährt hatte.


    Selbst wenn eine Verpflichtung der Kommission zu bejahen wäre, konkret nachzuweisen, dass die Exklusivitätsrabatte bzw. Zahlungen, die Dell, HP, NEC, Lenovo und Media-Saturn erhielten, geeignet waren, den Wettbewerb zu beschränken, wäre die Kommission dieser Verpflichtung nach Ansicht des Gerichts im Rahmen ihrer Prüfung der Umstände des Einzelfalls rechtlich hinreichend nachgekommen.


    Zu den Zahlungen an HP, Acer und Lenovo, damit diese Unternehmen bestimmte Produkte mit AMD-Prozessoren später, gar nicht oder mit Einschränkungen auf den Markt brachten, stellt das Gericht fest, dass sie geeignet waren, den Zugang von AMD zum Markt zu erschweren. Es stellt ferner fest, dass Intel ein wettbewerbswidriges Ziel verfolgte. Verhindert ein Unternehmen in beherrschender Stellung gezielt, dass Waren, die mit einem Produkt eines bestimmten Wettbewerbers ausgestattet sind, auf den Markt gebracht werden, kann sein Interesse nur in der Schädigung des Wettbewerbers bestehen. Solche Verhaltensweisen, die von der Kommission als „ausschließlich auf Wettbewerbsbeschränkungen gerichtete Maßnahmen“ bezeichnet werden, sind einem Leistungswettbewerb fremd und stellen eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung dar.


    Zu der Frage, ob die Kommission für die Ahndung des wettbewerbswidrigen Verhaltens von Intel völkerrechtlich örtlich zuständig war, stellt das Gericht fest, dass sich eine solche Zuständigkeit sowohl daraus ergeben kann, dass das wettbewerbswidrige Verhalten in der Union durchgeführt wurde, als auch daraus, dass es sich dort auswirkte. Das Intel in der Entscheidung der Kommission zur Last gelegte Verhalten war geeignet, zu wesentlichen, unmittelbaren und vorhersehbaren Auswirkungen im EWR zu führen. Die Kommission war somit für seine Ahndung zuständig.


    Das Gericht stellt ferner fest, dass die Kommission die Existenz der in ihrer Entscheidung beanstandeten Exklusivitätsrabatte und ausschließlich auf Wettbewerbsbeschränkungen gerichteten Maßnahmen rechtlich hinreichend nachgewiesen hat. Es weist das gegen die entsprechenden Feststellungen der Kommission gerichtete Vorbringen von Intel zurück.


    Im Übrigen hat die Kommission nach Auffassung des Gerichts rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass Intel versuchte, den wettbewerbswidrigen Charakter seiner Verhaltensweisen zu verschleiern, und eine langfristige Gesamtstrategie verfolgte, um AMD den Zugang zu den strategisch wichtigsten Verkaufskanälen zu verwehren.


    Schließlich ist das Gericht der Ansicht, dass keines der von Intel vorgebrachten Argumente den Schluss zulässt, dass die verhängte Geldbuße unverhältnismäßig wäre. Sie steht vielmehr in angemessenem Verhältnis zu den Umständen des konkreten Falls. Das Gericht weist insbesondere darauf hin, dass die Kommission den anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Anteil am Umsatz auf 5% festgelegt hat, was im unteren Bereich der bis zu 30% reichenden Bandbreite liegt8.
    Außerdem entspricht die Geldbuße 4,15% des Jahresumsatzes von Intel, was weit unter der Obergrenze von 10% liegt.


    EuGH-Urteil vom 12. Juni 2014 in der Rechtssache T-286/09 Intel Corp. / Kommission; PM 82/2014


    juristi.Link [zum Volltext]


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    1 Eine Zusammenfassung der Entscheidung ist im Amtsblatt C 227 vom 22. September 2009, S. 13, veröffentlicht. Vgl. auch Pressemitteilung IP/09/745 der Kommission vom 13. Mai 2009 und MEMO/09/400 vom 21. September 2009.

    2 Die in Computern verwendeten Mikroprozessoren lassen sich in zwei Kategorien einteilen: x86-Prozessoren und auf einer anderen Architektur basierende Prozessoren. Die x86-Architektur ist ein von Intel für seine Mikroprozessoren entwickelter Standard. Sie ist mit den Betriebssystemen Windows und Linux kompatibel. Windows ist primär mit x86-Befehlssätzen verknüpft.

    3 Der Prozessor ist eine wesentliche Komponente jedes Computers, sowohl hinsichtlich der allgemeinen Systemleistung als auch in Bezug auf die Gesamtkosten des Geräts. Er wird oft als „Gehirn“ des Computers bezeichnet. Für die Herstellung von Prozessoren werden kostspielige Anlagen der Spitzentechnologie benötigt.

    4 Vor 2000 gab es mehrere Hersteller von x86-Prozessoren. Die meisten von ihnen sind jedoch vom Markt verschwunden.

    5 Nach Auffassung der Kommission handelt es sich um eine einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung.

    6 Bei der Festsetzung dieses Betrags wurden die Umsätze bei x86-Prozessoren zugrunde gelegt, die Intel im Jahr 2007, dem letzten Jahr der Zuwiderhandlung, mit Unternehmen auf dem Markt des EWR erzielte (3 876 827 021 Euro). Die Kommission legte sodann anhandder Schwere der Zuwiderhandlung einen Anteil an diesem Umsatz (5 % bei einem Höchstsatz von 30%) fest, den sie schließlich mit der Zahl der Jahre der Zuwiderhandlung multiplizierte (fünf Jahre und drei Monate, was einen Faktor von 5,5 ergibt).

    7 In der vorliegenden Rechtssache sind die Association for Competitive Technology als Streithelferin von Intel und die Union fédérale des consommateurs – Que choisir als Streithelferin der Kommission beigetreten.

    8 Vgl. zur Berechnung der Geldbuße Fn. 6.

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