Europarecht C-632/20 P - Beteiligung des Kosovos am Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation nichtig

  • Der Gerichtshof erklärt den Beschluss der Kommission, mit dem die Beteiligung des Kosovos am Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation zugelassen wurde, für nichtig.

    Diese Nichtigerklärung erfolgt jedoch unabhängig davon, dass das Kosovo von der Union sowie von einigen Mitgliedstaaten nicht als souveräner Staat anerkannt wird.


    Das Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK), bestehend aus einem Regulierungsrat, und das GEREK-Büro wurden 2009 eingerichtet.1 Die Entwicklung des Binnenmarktes für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste sowie die Verbesserung seines Funktionierens bilden die Hauptaufgaben des GEREK. Das GEREK hat auch die einheitliche Anwendung des Rechtsrahmens der Union in diesem Bereich zu gewährleisten. Ferner fungiert es als Forum für die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Regulierungsbehörden (im Folgenden: NRB) untereinander und zwischen den NRB und der Kommission.


    In der Zeit von 2001 bis 2015 schloss die Union Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit sechs Westbalkanländern, darunter das Kosovo, ein potenzielles Kandidatenland für den Beitritt zur Union. Ab 2018 ergriff die Kommission Maßnahmen zur Entwicklung der digitalen Gesellschaft und zur Angleichung der Rechtsvorschriften dieser Länder an die Rechtsvorschriften der Union. Eine dieser Maßnahmen bestand darin, den Westbalkan in bestehende Regulierungsgremien oder Expertengruppen wie das GEREK zu integrieren.


    Im März 2019 erließ die Kommission sechs Beschlüsse über die Beteiligung der NRB dieser Länder am GEREK. Sie ließ insbesondere die NRB des Kosovos zur Beteiligung am Regulierungsrat und an den Arbeitsgruppen des GEREK sowie am Verwaltungsrat des GEREK-Büros zu.


    Im Juni 2019 erhob Spanien beim Gericht der Europäischen Union Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses.2 Diese Klage wurde mit Urteil vom 23. September 2020, Spanien/Kommission (T-370/19), abgewiesen. Im November 2020 legte Spanien gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel ein.


    Vor dem Gericht hatte Spanien geltend gemacht, dass der Beschluss der Kommission gegen die Bestimmung der aktuellen GEREK-Verordnung3 über die Zusammenarbeit des GEREK mit Einrichtungen der Union, Drittländern und internationalen Organisationen verstoße, da das Kosovo kein „Drittland“ im Sinne dieser Bestimmung sei.


    Das Gericht befand, dass der Begriff „Drittland“ im Sinne dieser Bestimmung nicht dasselbe bedeute wie der Begriff „Drittstaat“, sondern eine weitere Bedeutung habe, die mehr umfasse als nur souveräne Staaten. Der Gerichtshof stellt fest, dass dem Gericht in dieser Hinsicht ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Aus den unterschiedlichen Sprachfassungen des EU- und des AEU-Vertrags kann nämlich nicht auf eine unterschiedliche Bedeutung der Begriffe „Drittland“ und „Drittstaat“ geschlossen werden. Im Übrigen wird in mehreren Sprachfassungen dieser Verträge und in jenen der Verordnung nur der Ausdruck „Drittstaat“ verwendet.


    Unter Bezugnahme auf das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 22. Juli 2010 über die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos4 vertritt der Gerichtshof allerdings die Auffassung, dass das Kosovo einem „Drittland“ im Sinne der GEREK-Verordnung gleichgestellt werden kann, ohne gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Das Gericht ist daher rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kommission im Einklang mit der Verordnung das Kosovo einem „Drittland“ gleichstellen konnte.


    Spanien hatte vor dem Gericht außerdem geltend gemacht, dass die Kommission von dem für die Beteiligung der NRB von Drittländern am GEREK festgelegten Verfahren abgewichen sei. Das Gericht stellte fest, dass die Zuständigkeit für die Festlegung von Arbeitsvereinbarungen über die Beteiligung der NRB von Drittländern weder in der GEREK-Verordnung noch in sonstigen Rechtsvorschriften der Union ausdrücklich dem GEREK-Büro oder einem anderen Gremium übertragen worden sei, so dass die Kommission nach Art. 17 EUV für die einseitige Festlegung der Arbeitsvereinbarungen zuständig sei.


    Der Gerichtshof stellt fest, dass das Gericht auch in diesem Punkt einen Rechtsfehler begangen hat, da die Zuständigkeit, die für die Beteiligung der NRB von Drittländern erforderlichen Arbeitsvereinbarungen zu treffen, beim GEREK und beim GEREK-Büro liegt. Die Auslegung des Gerichts ist nicht mit der Unabhängigkeit des GEREK vereinbar und verkennt die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission auf der einen Seite und dem GEREK sowie dem GEREK-Büro auf der anderen Seite, da der Kommission nach der Verordnung lediglich eine Kontrollfunktion zukommt.


    Das Urteil des Gerichts wird aufgrund dieses Fehlers aufgehoben. Da der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist, entscheidet der Gerichtshof selbst endgültig und erklärt auch den Beschluss der Kommission für nichtig, da diese nicht über die Zuständigkeit für seinen Erlass verfügte.


    Um jedoch die Beteiligung der NRB des Kosovos am GEREK nicht zu gefährden, entscheidet der Gerichtshof, die Wirkungen des Beschlusses der Kommission bis zum Inkrafttreten etwaiger neuer Arbeitsvereinbarungen zwischen dem GEREK, dem GEREK-Büro und der NRB des Kosovos aufrechtzuerhalten. Die Aufrechterhaltung der Wirkungen dieses Beschlusses darf aber eine angemessene Frist von sechs Monaten ab dem heutigen Tag nicht überschreiten.


    EuGH-Urteil vom 17. Jan 2023; EuGH PM 11/2023


    Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-632/20 P | Spanien/Kommission


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    1 Verordnung (EG) Nr. 1211/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Einrichtung des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und des Büros (ABl. 2009, L 337, S. 1).
    2 Dieser Mitgliedstaat sowie Zypern, Griechenland, Rumänien und die Slowakei erkennen die Unabhängigkeit des Kosovos nicht an.

    3 Verordnung (EU) 2018/1971 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Einrichtung des Gremiums europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und der Agentur zur Unterstützung des GEREK (GEREK-Büro), zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/2120 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1211/2009 (ABl. 2018, L 321, S. 1).

    4 I.C.J. Reports 2010, S. 403.

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