Verwaltungsrecht 6 A 3.21 - Vereinsrechtliches Verbot von Ansaar International e. V. bestätigt

  • Das mit Verfügung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 22. März 2021 ausgesprochene Verbot von Ansaar International e. V. ist rechtmäßig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.

    Der klagende Verein ist als Hilfsorganisation weltweit tätig. Mit der genannten Verfügung verbot das BMI den Kläger mitsamt acht Teilorganisationen, weil er mit seinen Zwecken und Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufe und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung richte. Begründet wurde dies zum einen mit der Unterstützung terroristischer Vereinigungen. Der Kläger sammle Spendengelder. Damit verwirkliche er - teilweise auch über seine Teilorganisationen - humanitäre Projekte in den Herrschafts- und Einflussbereichen der Jabhat al-Nusra (al-Nusra) bzw. Hai´at Tahrir al-Sham (HTS) in Syrien, der HAMAS im Gazastreifen und der Al-Shabab in Somalia. Dies sei nur mittels Geldzahlungen und Ablieferung von Hilfsgütern an diese Organisationen möglich. Des Weiteren unterstütze er die al-Nusra bzw. HTS mit der Lieferung militärischer Ausrüstungsgegenstände und Geld für Waffenkäufe. Er erfülle damit den Straftatbestand der Terrorismusunterstützung und wegen der zugleich vorliegenden Identifizierung mit den Zielen dieser Terrororganisationen die Verbotstatbestände der Strafgesetzwidrigkeit sowie des Sichrichtens gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Zum anderen begründete das BMI das Verbot des Klägers mit dessen Missionierungstätigkeiten im In- und Ausland, mit denen er sich sowohl gegen den Gedanken der Völkerverständigung als auch die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Kläger habe im Inland zwischen 2013 und 2015 Benefizveranstaltungen durchgeführt, auf denen islamistische Prediger aufgetreten seien, die für den politischen und jihadistischen Salafismus stünden. Er vertreibe darüber hinaus islamistische Bücher über seine Teilorganisation Ummashop, in denen die Errichtung des Kalifats und die Durchsetzung der Scharia propagiert würden. Seine Missionierungstätigkeit in den von ihm etwa in Ghana betriebenen Waisenhäusern und Schulen habe ebenfalls eine salafistische Ausrichtung. Gleiches gelte für die von ihm betriebene und finanzierte Hadith- und Koranakademie in Bursa (Türkei).


    Der Kläger hat gegen die Verbotsverfügung Klage erhoben und geltend gemacht, er verwirkliche keine Verbotsgründe. Mit Ausnahme von vier in der Verfügung aufgeführten Organisationen, die er gegründet habe, um nach der Schließung seiner Konten weiter Spenden auf Girokonten sammeln zu können, seien die anderen Organisationen nicht in sein Vereinsgeflecht eingegliedert. Deren Verhalten könne ihm nicht zugerechnet werden. Dies gelte insbesondere für die Vereine WWR-Help. WorldWide Resistance-Help e. V. (WWR) und Somalisches Komitee Information und Beratung in Darmstadt und Umgebung e. V. (SKIB). Mit seinen humanitären Projekten unterstütze er keine Terrororganisationen. Ebenso wenig liefere er Ausrüstungsgegenstände und Geld für Waffenkäufe an die al-Nusra. Seine Missionierungstätigkeit habe keine islamistische Ausrichtung, sondern sei von der Religionsfreiheit gedeckt. Angesichts seiner weltweiten humanitären Hilfeleistungen sei das Verbot zudem unverhältnismäßig.


    Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich entscheidet, hat keinen Erfolg. Die Beklagte ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger, der seit seiner Gründung im Jahre 2012 bis zum Erlass der Verbotsverfügung weit über 30 Millionen Euro an Spendengeldern vereinnahmt hat, sämtliche Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG erfüllt. Zu diesem Ergebnis ist das Gericht nach fünftägiger Verhandlungsdauer einschließlich einer umfangreichen Beweisaufnahme gelangt.


    Der Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit ist gegeben, weil der Kläger terroristische Vereinigungen unterstützt hat. Bei humanitären Hilfeleistungen in terroristisch kontrollierten Krisengebieten ist das nur anzunehmen, wenn mit den Hilfeleistungen der Tatbestand der Unterstützung terroristischer Vereinigung verwirklicht wird und die Hilfeleistungen nicht die allgemeinen Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität und Unparteilichkeit achten. Neutralität und Unparteilichkeit der Hilfeleistungen fehlen jedenfalls dann, wenn sich die Hilfsorganisation mit den Zielen der in dem Krisengebiet herrschenden Terrororganisation identifiziert. Das ist beim Kläger der Fall.


    Mit seinen humanitären Projekten wie der Lieferung von Krankenwagen, der Verteilung von Lebensmitteln, dem Bau und Betrieb von Schulen und Krankenhäusern im Dominanzbereich der al-Nusra bzw. HTS in Syrien sowie - mithilfe seiner Teilorganisation SKIB (vgl. Urteil vom 7. Juli 2023 - 6 A 2.21) - der Al-Shabab in Somalia hat er diese Vereinigungen unterstützt. Derartige Hilfeleistungen sind ohne Geldzahlungen bzw. die Ablieferung von Hilfsgütern an diese Terrorgruppen unmöglich. Schließlich identifizierte sich der Kläger mit den Zielen von al-Nusra bzw. HTS und Al-Shabab, vor allem mit der Errichtung eines Gottesstaats - verbunden in Bezug auf die al-Nusra zugleich mit der Vernichtung Israels - und mit der Einführung der Scharia. In Bezug auf den Gazastreifen erfüllte zwar nicht der Kläger, aber die Vereinigung WWR mit ihren dortigen Projekten den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit. Denn WWR unterstützte einen Sozialverein der HAMAS und damit die HAMAS unmittelbar. Das Verhalten des WWR muss sich der Kläger für den Zeitraum von 2016 bis März 2019 zurechnen lassen, weil WWR währenddessen eine Teilorganisation des Klägers gewesen ist (vgl. Urteil vom 7. Juli 2023 - 6 A 4.21). Im Übrigen hat der Kläger auch deshalb strafgesetzwidrig gehandelt, weil er die Terrororganisation al-Nusra - über die Zahlung generell verlangter Zwangsabgaben hinaus - mit im Ausland beschafften Geräten sowie mit nach Syrien transferierten Geldern aktiv unterstützt hat.


    Die vorstehend aufgeführten Aktivitäten des Klägers erfüllen zugleich den Verbotsgrund des Sichrichtens gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Dieser Verbotsgrund ist darüber hinaus gegeben, weil der Kläger eine auf die Errichtung eines Gottesstaats und die Einführung der Scharia - notfalls auch mittels Gewalt - gerichtete Missionierungstätigkeit ausgeübt hat. Diese fand sowohl in Ghana in seinem Waisenhaus und der angegliederten Schule sowie an der von ihm betriebenen Hadith- und Koranakademie in Bursa (Türkei) statt. Ziel der Akademie ist es, Prediger in einem fundamentalistisch-islamistischen Sinne auszubilden, die als Multiplikatoren in ihre Heimatländer zurückkehren und dort dieses Gedankengut propagieren sollen. Aus diesem Grunde richtet er sich zudem gegen die verfassungsmäßige Ordnung, soweit die ausgebildeten Prediger auch in Deutschland tätig werden sollen.


    Die Aktivitäten, mit denen er die Verbotsgründe erfüllt, prägen den Kläger. Auch wenn er zahlreiche humanitäre Projekte durchführt, die nicht im Zusammenhang mit der Verwirklichung von Verbotsgründen stehen, lassen seine Unterstützung terroristischer Vereinigungen sowie seine Missionierungstätigkeit den Schluss zu, dass er maßgeblich auf diese ausgerichtet ist. Der Kläger hat die von ihm eingeworbenen Spenden in erheblichem Umfang für diesen Teil seiner Aktivitäten eingesetzt. Mildere Mittel als das ausgesprochene Vereinsverbot sind angesichts des vom Kläger aufgebauten umfangreichen Vereinsgeflechts nicht ersichtlich.


    BVerwG 6 A 3.21 - Urteil vom 21. August 2023 - BVerwG PM 61/2023

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