Sozialrecht B 5 R 3/23 R - Steuerlicher Verlustvortrag bei Witweneinkommen nicht zu berücksichtigen

  • Ein von der Finanzverwaltung anerkannter Verlustvortrag bleibt bei der Bestimmung des auf eine Witwenrente anzurechnenden Arbeitseinkommens unberücksichtigt. Das hat der 5. Senat des Bundessozialgerichts entschieden (Az. B 5 R 3/23 R).

    Wie die Vorinstanzen hat das Bundessozialgericht entschieden, dass im Rahmen der Einkommensanrechnung auf Hinterbliebenenrenten ein Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG (Einkommensteuergesetz) nicht einzubeziehen ist. Es hat damit an seiner bisherigen Auffassung auch unter Geltung des zum 1. Januar 2002 eingeführten § 18a Abs. 2a SGB IV festgehalten.


    Die Vorschrift soll sicherstellen, dass für die Einkommensanrechnung grundsätzlich alle Arten von Arbeitseinkommen berücksichtigt werden. Das Außer-Acht-Lassen eines steuerlichen Verlustvortrags entspricht schließlich dem Sinn und Zweck der Hinterbliebenenversorgung. Diese dient als Ersatz des Unterhalts, der aufgrund des Todes des Versicherten nicht mehr geleistet wird. Eigenes Einkommen des Hinterbliebenen wird in einem bestimmten Umfang angerechnet, weil der Hinterbliebene sich dadurch ganz oder zumindest teilweise selbst unterhalten kann. Abzustellen ist dabei auf das verfügbare Einkommen. Dass ein Hinterbliebener berechtigt ist, seine Einkommensteuerpflicht im Veranlagungszeitraum zu mindern, indem er negative Einkünfte aus im Einzelfall weit zurückliegenden früheren Veranlagungszeiträumen in Abzug bringt, sagt nichts über seine aktuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus.


    Aus dem Fall:


    P. H. ./. DRV Bund


    Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Verlustvortrag nach § 10d EStG (Einkommensteuergesetz) bei der Anrechnung von Arbeitseinkommen auf eine Hinterbliebenenrente zu berücksichtigen ist.


    Die 1952 geborene Klägerin bezieht seit Januar 1992 eine Witwenrente von der Beklagten. Sie unterhält einen Gewerbebetrieb als Schaustellerin. In den Jahren 2007 bis 2016 erzielte sie positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Das zuständige Finanzamt zog hiervon jeweils einen Verlustvortrag aus den negativen Einkünften in der Vergangenheit ab und setzte die Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2016 auf jeweils 0 Euro fest.


    Die Beklagte, die 2017 Kenntnis von dieser selbstständigen Tätigkeit erlangte, berechnete die Witwenrente der Klägerin rückwirkend ab Januar 2007 neu und verlangte die Erstattung von über 12 600 Euro. Dabei rechnete sie das Einkommen der Klägerin ohne Berücksichtigung des Verlustvortrags auf die Hinterbliebenenrente an.


    Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht hat ausgeführt, bei der Bestimmung des auf die Witwenrente anzurechnenden Arbeitseinkommens sei ein jahresübergreifender Verlustvortrag nicht zu berücksichtigen.


    Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 18a Abs. 2a SGB IV (Sozialgesetzbuch Viertes Buch). Bei einer am Sinn und Zweck der Einkommensanrechnung auf Hinterbliebenenrenten orientierten Auslegung müsse ein im Einkommensteuerrecht anerkannter Verlustvortrag berücksichtigt werden. Ein Gewerbetreibender könne ein vergleichsweise hohes Einkommen nicht vollständig für seinen Unterhalt im Zuflussjahr nutzen, sondern müsse die in der Vergangenheit erwirtschafteten Verluste ausgleichen, zum Beispiel durch die Rückführung von Darlehen.


    Terminsbericht:


    Die Revision der Klägerin ist erfolglos geblieben. Zutreffend ließ die Beklagte bei der Anrechnung von Einkommen aus Gewerbebetrieb auf die Witwenrente der Klägerin den vom Finanzamt anerkannten Verlustvortrag unberücksichtigt.


    Auch unter Geltung des zum 1. Januar 2002 eingefügten § 18a Abs. 2a SGB IV (Sozialgesetzbuch Viertes Buch) findet ein steuerlicher Verlustvortrag bei der Einkommensanrechnung auf Hinterbliebenenrenten keine Berücksichtigung. Es liegt bereits aufgrund des Gesetzeswortlauts ("positive Summe der Gewinne oder Verluste") nahe, dass der Regelungsgehalt der Vorschrift sich darin erschöpft, bei Hinterbliebenen mit Einkünften aus mehreren Quellen einen Ausgleich über die verschiedenen Einkunftsquellen hinweg vorzunehmen. Abweichendes lässt sich auch der Entstehungsgeschichte der Norm nicht entnehmen. Mit der Gesetzesänderung sollte lediglich sichergestellt werden, dass für die Einkommensanrechnung auf Hinterbliebenenrenten grundsätzlich alle Arten von Arbeitseinkommen berücksichtigt werden. Das Außer-Acht-Lassen eines steuerlichen Verlustvortrags entspricht schließlich dem Sinn und Zweck der Hinterbliebenenversorgung. Diese dient dem Ersatz des Unterhalts, der aufgrund des Todes des Versicherten und des dadurch bedingten Wegfalls seines Einkommens nicht mehr geleistet werden kann. Sachlicher Grund und Grenze der Anrechnung eigenen Erwerbseinkommens auf die Hinterbliebenenrente ist die Fähigkeit des Hinterbliebenen, sich mittels eigenen Erwerbseinkommens ganz oder zumindest teilweise selbst zu unterhalten. Abzustellen ist dabei auf das verfügbare Einkommen. Dass ein Hinterbliebener berechtigt ist, seine Einkommensteuerpflicht im Veranlagungszeitraum zu mindern, indem er negative Einkünfte aus früheren, teilweise weit zurückliegenden Veranlagungszeiträumen in Abzug bringt, sagt jedoch nichts Verlässliches über seine aktuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus. Der Zahlungsanspruch aus einer Hinterbliebenenrente wird schließlich nicht über Gebühr gemindert, indem ein steuerlicher Verlustvortrag unberücksichtigt bleibt. Betriebsausgaben werden grundsätzlich bereits bei der Gewinnermittlung berücksichtigt. Dazu gehören auch etwaige Darlehenszinsen.


    BSG-Urteil vom 22. Febr 2024 - B 5 R 3/23 R - BSG PM 05/2024 und BSG PM 07/2024

    Verfahrensgang:

    Sozialgericht Potsdam, S 50 R 287/18, 28.03.2019

    Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 17 R 318/19, 05.05.2022

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