Arbeitsrecht 6 AZR 459/21 - "Korrigierende Höhergruppierung" - Stufenlaufzeit

  • Tenor

    1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 26. März 2021 – 12 Sa 85/20 – wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage auf Feststellung einer Vergütungspflicht der Beklagten nach Entgeltgruppe 9a Stufe 4 TVöD (VKA) für die Zeit vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Juli 2020 richtet.

    2. Im Übrigen wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

    1 Leitsatz

    Die Korrektur einer seit Beginn der Tätigkeit zu niedrigen Eingruppierung ist keine Höhergruppierung im Sinne von § 17 Abs. 4 TVöD-AT.

    2 Tatbestand

    1 Die Parteien streiten über die Stufenzuordnung der Klägerin und daraus folgende Vergütungsansprüche.
    2 Die Klägerin ist seit dem 1. Januar 2017 bei der beklagten Stadt im Gemeindevollzugsdienst und in der Sekretariatsvertretung beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung Anwendung. Dessen Allgemeiner Teil bestimmt in der ab dem 1. März 2017 geltenden Fassung auszugsweise Folgendes:


    § 15 Tabellenentgelt

    (1)

    1Die/Der Beschäftigte erhält monatlich ein Tabellenentgelt. 2Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die sie/er eingruppiert ist, und nach der für sie/ihn geltenden Stufe.

    § 16 (VKA) Stufen der Entgelttabelle

    (1)

    1Die Entgeltgruppen 2 bis 15 umfassen sechs Stufen. …

    (3)

    1Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe – von Stufe 3 an in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Abs. 2 – nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):

    Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,

    Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,

    Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3,

    Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4 und

    Stufe 6 nach fünf Jahren in Stufe 5.

    § 17 Allgemeine Regelungen zu den Stufen

    (4)

    1Bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe aus den Entgeltgruppen 2 bis 14 der Anlage A (VKA) werden die Beschäftigten im Bereich der VKA der gleichen Stufe zugeordnet, die sie in der niedrigeren Entgeltgruppe erreicht haben, mindestens jedoch der Stufe 2. 2Die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe beginnt mit dem Tag der Höhergruppierung. …“


    3 Die Klägerin wurde seit dem 1. Januar 2017 zunächst nach Entgeltgruppe 7 Stufe 3 TVöD (VKA) bezahlt. Ihrer mit Schreiben vom 28. Februar 2018 erhobenen Forderung auf Vergütung nach Entgeltgruppe 9a Stufe 3 TVöD (VKA) kam die Beklagte nicht nach. Obwohl die Tätigkeit der Klägerin unverändert geblieben war, vergütete die Beklagte die Klägerin jedoch rückwirkend seit dem 1. September 2017 nach Entgeltgruppe 8 Stufe 3 TVöD (VKA). Die Klägerin verlangte weiterhin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 9a Stufe 3 TVöD (VKA) jedenfalls seit dem 1. September 2017 und erhob eine entsprechende Feststellungsklage. Diese war vor dem Arbeitsgericht erfolgreich. Die Beklagte legte hiergegen Berufung ein. Während des Berufungsverfahrens geführte Vergleichsverhandlungen bezüglich des Beginns einer etwaigen Vergütung der Klägerin nach Entgeltgruppe 9a Stufe 3 TVöD (VKA) mündeten in einem Vergleich, welchen das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 6. März 2020 im Verfahren – 14 Sa 33/19 – feststellte:

    "1. Die beklagte Stadt B zahlt an die Klägerin ab dem 01.06.2018 die Vergütung nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 3 Teil A I, 3 der Entgeltordnung zum TVöD VKA.
    2. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.
    3. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.“
    4 Über den Beginn der Stufenlaufzeit zur Stufe 4 konnten sich die Parteien nicht verständigen. Sie beabsichtigten diesbezüglich eine gesonderte Einigung. Eine solche kam nicht zustande.
    5 Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin Vergütung nach Stufe 4 der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) seit dem 1. Januar 2020 verlangt und dies bezogen auf die Zeit bis zum 31. Juli 2020 mit Zahlungsanträgen konkretisiert.
    6 Die dreijährige Stufenlaufzeit zur Stufe 4 habe nicht erst mit dem 1. Juni 2018 als Beginn der vereinbarten Pflicht zur Vergütung nach Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) begonnen. Da sich ihre Tätigkeit seit dem 1. Januar 2017 – unstreitig – nicht verändert habe, handle es sich der Sache nach um eine korrigierende Höhergruppierung. Auf eine solche finde § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT keine Anwendung. Die Stufenlaufzeit habe nach dem allein maßgeblichen § 16 Abs. 3 TVöD-AT (VKA) bereits mit dem 1. Januar 2017 zu laufen begonnen, weil die Voraussetzungen einer Eingruppierung in der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) schon seit diesem Zeitpunkt erfüllt gewesen seien. Angesichts der Gewährung der Stufe 3 bei Einstellung sei die zur Erreichung der Stufe 4 maßgebliche Stufenlaufzeit von drei Jahren am 1. Januar 2020 abgelaufen. Seitdem bestehe der Anspruch auf ein Entgelt nach Stufe 4 der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA).
    7 Hilfsweise sei festzustellen, dass diese Vergütungspflicht entsprechend der einseitigen Änderung der Eingruppierung der Beklagten zum 1. September 2017 seit dem 1. September 2020 bestehe.
    8 Die Klägerin hat daher beantragt,

    1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie beginnend seit dem 1. Januar 2020 nach Entgeltgruppe 9a Stufe 4 des Teil A I 3 der Entgeltordnung zum TVöD (VKA) zu vergüten;

    2. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Bruttobetrag in Höhe von 1.701,22 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Bruttobetrag von 423,50 Euro seit dem 1. Februar 2020, aus einem weiteren Bruttobetrag von 423,50 Euro seit dem 1. März 2020, aus einem weiteren Bruttobetrag von 427,11 Euro seit dem 1. April 2020 sowie einem weiteren Bruttobetrag von 427,11 Euro seit dem 1. Mai 2020 zu zahlen;

    3. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen weiteren Bruttobetrag in Höhe von 1.281,33 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Bruttobetrag von 427,11 Euro seit dem 1. Juni 2020, aus einem weiteren Bruttobetrag von 427,11 Euro seit dem 1. Juli 2020 sowie aus einem weiteren Bruttobetrag von 427,11 Euro seit dem 1. August 2020 zu zahlen;

    4. hilfsweise zum Klageantrag zu 1.: festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie beginnend seit dem 1. September 2020 nach Entgeltgruppe 9a Stufe 4 des Teil A I 3 der Entgeltordnung zum TVöD (VKA) zu vergüten.
    9 Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Die Parteien hätten sich im Rahmen eines Tatsachenvergleichs auf den Beginn der Zahlungsverpflichtung nach Entgeltgruppe 9a Stufe 3 TVöD (VKA) am 1. Juni 2018 verständigt. Mit diesem Vergleich sei auch der Beginn der Stufenlaufzeit festgelegt worden. Es handle sich um eine Höhergruppierung. Nach § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT beginne die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe mit dem Tag der Höhergruppierung, dh. vorliegend mit dem 1. Juni 2018. Bezogen auf die Stufe 4 habe die Stufenlaufzeit folglich erst zum 1. Juni 2021 geendet. Auf die bestrittene Behauptung der Klägerin, dass sie die Voraussetzungen der Eingruppierung nach Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) bereits seit dem 1. Januar 2017 erfülle, komme es vor diesem Hintergrund nicht an.
    10 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht diese Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hin hat der Senat mit Beschluss vom 15. Oktober 2021 (- 6 AZN 337/21 -) die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihre Klageziele weiter.


    Entscheidungsgründe


    11 Die Revision ist teilweise begründet.
    12 A. Die zu 1. als Hauptantrag erhobene Feststellungsklage ist teilweise unzulässig. Im Übrigen kann über die begehrte Feststellung und die mit den Anträgen zu 2. und 3. erhobene Leistungsklage noch nicht abschließend entschieden werden. Die streitgegenständliche Stufenzuordnung hängt von der Eingruppierung der Klägerin seit dem 1. Januar 2017 ab. Diese kann der Senat mangels hinreichender Feststellungen nicht selbst beurteilen.
    13 I. Die zu 1. als Hauptantrag erhobene Feststellungsklage ist teilweise unzulässig.
    14 1. Dem Feststellungsantrag fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, soweit er sich für die Zeit vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Juli 2020 mit der zu 2. und 3. erhobenen Leistungsklage überschneidet. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, welches über die mit der Leistungsklage verfolgte Zahlung hinausgehende Interesse für diesen Zeitraum an der begehrten Feststellung besteht. Deshalb ist die Klage auch nicht als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig (vgl. BAG 24. März 2022 – 6 AZR 255/21 – Rn. 14; 25. März 2021 – 6 AZR 146/20 – Rn. 17).
    15 2. Im Übrigen ist der Antrag bei gebotener Auslegung zulässig (zur rechtsschutzgewährenden Auslegung BAG 12. September 2022 – 6 AZR 261/21 – Rn. 15). Zwar erfasst er seinem Wortlaut nach auch die Zeit ab dem 1. Juni 2021. Diesbezüglich bestünde kein Feststellungsinteresse, weil die streitgegenständliche Vergütungspflicht auch nach Auffassung der Beklagten seit diesem Zeitpunkt besteht. Nach dem gesamten Vorbringen der Klägerin ist sie sich dessen aber bewusst. Der Antrag ist offensichtlich nur auf den zwischen den Parteien umstrittenen Zeitraum bis zum 1. Juni 2021 gerichtet. Dies entspricht dem in der Verhandlung vor dem Senat zum Ausdruck gebrachten Verständnis der Parteien.
    16 II. Ob die zu 1. bis 3. zulässig gestellten Hauptanträge begründet sind, kann noch nicht abschließend entschieden werden.
    17 1. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat zum 1. Juni 2018 keine Höhergruppierung iSv. § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT stattgefunden, welche den tariflichen Beginn der Stufenlaufzeit in Stufe 3 der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) ausgelöst hätte.
    18 a) Nach § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT beginnt die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe mit dem Tag der Höhergruppierung. Der Begriff der Höhergruppierung wird in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes entsprechend dem allgemeinen Wortgebrauch meist im Sinne einer dauerhaften Übertragung von Tätigkeiten einer höheren Entgeltgruppe verwendet (BAG 18. Februar 2021 – 6 AZR 702/19 – Rn. 19, BAGE 174, 63). Auch die bloße Änderung einer bestehenden Eingruppierungsordnung kann zu einer Höhergruppierung im Sinne einer Einordnung in eine höhere Entgeltgruppe führen, denn den Tarifvertragsparteien steht es grundsätzlich frei, Tätigkeiten im eingruppierungsrechtlichen Sinne neu zu bewerten (BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 44/18 – Rn. 24). Hiervon abzugrenzen ist die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit (BAG 3. Juli 2014 – 6 AZR 1067/12 – Rn. 18, BAGE 148, 312).
    19 b) Bei einer Korrektur der Eingruppierung ist zu differenzieren.
    20 aa) Es liegt keine Höhergruppierung im Tarifsinne vor, wenn der Beschäftigte aufgrund einer falschen Bewertung der Tätigkeit durch den Arbeitgeber schon seit der Einstellung irrtümlich nach einer niedrigeren Entgeltgruppe vergütet wurde und der Arbeitgeber diesen Fehler korrigieren will. Einer solchen Änderung der Eingruppierung liegt keine Veränderung der Tätigkeit oder der Eingruppierungsregelungen zu Grunde. Aufgrund der Tarifautomatik der Eingruppierung (§ 12 TVöD-AT [VKA] iVm. Anlage 1 – Entgeltordnung [VKA]) befand sich der Beschäftigte vielmehr eingruppierungsrechtlich schon seit dem Zeitpunkt, in dem die tariflichen Eingruppierungsmerkmale der höheren Entgeltgruppe erfüllt waren, in der höheren Entgeltgruppe und hat daher in dieser seitdem durchgehend Berufserfahrung erworben (zur Tarifautomatik vgl. BAG 2. Juni 2021 – 4 AZR 387/20 – Rn. 12). Er ist daher nach der Korrektur der Eingruppierung in der höheren Entgeltgruppe der Stufe zuzuordnen, der die Zeit in dieser Tätigkeit entspricht. Die Stufenzuordnung ist nach § 16 TVöD-AT (VKA) in der höheren Entgeltgruppe neu vorzunehmen und nach der Stufenfindung die Stufenlaufzeit nachzuzeichnen (Spelge ZTR 2020, 127; vgl. auch BeckOK TVöD/Felix TVöD-AT § 17 Stand 1. September 2022 Rn. 167). § 17 Abs. 4 TVöD-AT kommt in dieser Konstellation nicht zur Anwendung (Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 17 Stand Januar 2015 Rn. 43; Conze/Karb/Wölk/Reidel 7. Aufl. Höhergruppierung, dauerhafte Rn. 1838; Spelge aaO). Bezogen auf die Vergangenheit wird der Anspruch auf Entgelt nach der höheren Entgeltgruppe allerdings durch die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 37 TVöD-AT begrenzt (BeckOK TVöD/Felix aaO).
    21 bb) Hiervon zu unterscheiden ist eine nach der Einstellung, dh. im Laufe des Arbeitsverhältnisses, aufgrund Tätigkeits- oder Regelungsveränderung nach dem Grundsatz der Tarifautomatik eingetretene Höhergruppierung, welche nicht umgesetzt wurde. Wird der Tarifautomatik später im Wege der sog. „korrigierenden Höhergruppierung“ Rechnung getragen, handelt es sich unverändert um eine Höhergruppierung iSd. § 17 Abs. 4 TVöD-AT. Die Tarifautomatik bewirkt, dass die Korrektur auf das Datum der Übertragung der Tätigkeit bzw. der Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals zurückwirkt (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Teil B 1 § 17 Stand Februar 2022 Rn. 67). Dementsprechend beginnt auch die Stufenlaufzeit rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Höhergruppierung (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 17 Stand Januar 2015 Rn. 43).
    22 cc) Die entgegenstehende Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wonach gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT bei Korrekturen stets an den Zeitpunkt der Höhergruppierung anzuknüpfen sei, lässt außer Acht, dass sich der tariflich maßgebliche Zeitpunkt der Höhergruppierung allein nach dem in sich geschlossenen tariflichen Vergütungssystem bestimmt. Gleiches gilt bezüglich der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zum Ausdruck gebrachten Überlegung der Beklagten, wonach § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT seinem Wortlaut nach auch auf vertraglich vereinbarte Höhergruppierungen Anwendung finde. Dies ist zwar für sich betrachtet zutreffend, eine derart isolierte Anwendung von § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT wäre aber mit der Einbettung der Norm in den tariflichen Gesamtzusammenhang nicht vereinbar. Mit der korrigierenden Höhergruppierung soll den tariflichen Regelungen im Ganzen zur Geltung verholfen werden. § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT greift daher nur bei nach dem Grundsatz der Tarifautomatik erfolgenden Höhergruppierungen.
    23 dd) Ungeachtet dessen beginnt bei übertariflich vereinbarten Höhergruppierungen die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe mit dem Tag der Höhergruppierung, wenn die Parteien nichts Abweichendes regeln. Nach dem auch bei übertariflichen Höhergruppierungen weiter zu beachtenden Zweck des Stufensystems des TVöD-AT bedarf es einer ausdrücklichen Anordnung, wenn in anderen Entgeltgruppen erworbene Stufenlaufzeiten in eine höhere oder niedrigere Entgeltgruppe „mitgenommen“ werden sollen (vgl. BAG 1. Juni 2017 – 6 AZR 741/15 – Rn. 17, BAGE 159, 214).
    24 c) Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass zum 1. Juni 2018 eine tarifliche Höhergruppierung iSv. § 17 Abs. 4 TVöD-AT stattgefunden hat. Das ist aber offenkundig nicht der Fall, denn die Tätigkeit der Klägerin blieb seit Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1. Januar 2017 unstreitig unverändert. Gleiches gilt bezüglich der einschlägigen Eingruppierungsregelungen in Teil A Abschn. I Ziff. 3 der Entgeltordnung (VKA). Ein tariflich vorgesehener Beginn der Stufenlaufzeit kommt daher zum 1. Juni 2018 nicht in Betracht.
    25 2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts könnte sich dennoch im Ergebnis als richtig darstellen (§ 561 ZPO).
    26 a) Die Stufenlaufzeit ist nach § 16 Abs. 3 TVöD-AT (VKA) innerhalb derselben Entgeltgruppe zurückzulegen (vgl. hierzu BAG 1. Juni 2017 – 6 AZR 741/15 – Rn. 17, BAGE 159, 214). Die Begründetheit des mit den Hauptanträgen verfolgten Klagebegehrens würde demnach voraussetzen, dass die für einen Aufstieg in die Stufe 4 zu erfüllende Stufenlaufzeit von drei Jahren mit dem 1. Januar 2017 in der Entgeltgruppe 9a Stufe 3 TVöD (VKA) begonnen hat. Die Beklagte stellt eine Zuordnung zur Stufe 3 am 1. Januar 2017 nicht in Abrede. Umstritten ist aber die Eingruppierung geblieben. Bei einer tariflichen Eingruppierung in der Entgeltgruppe 7 oder 8 TVöD (VKA) seit dem 1. Januar 2017 hätte die Stufenlaufzeit in der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) aufgrund der vergleichsweise vereinbarten, übertariflichen Höhergruppierung erst ab dem 1. Juni 2018 zu laufen begonnen. In diesem Falle wäre die streitgegenständliche Vergütung entsprechend der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten frühestens ab dem 1. Juni 2021 zu leisten gewesen.
    27 b) Mangels hinreichender Feststellungen bezüglich der maßgeblichen Eingruppierung kann der Senat über das Begehren der Klägerin nicht selbst entscheiden.
    28 aa) Hinsichtlich der Eingruppierung der Klägerin vom 1. Januar 2017 bis zum 1. Juni 2018 existiert keine abschließende gerichtliche Entscheidung. Die der Klage auf Vergütung nach Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) stattgebende erstinstanzliche Entscheidung wurde nicht rechtskräftig. Das Berufungsverfahren wurde durch den Vergleich vom 6. März 2020 und nicht durch Urteil beendet.
    29 bb) Aus dem Vergleich vom 6. März 2020 kann nicht geschlossen werden, dass die Klägerin nach den tariflichen Eingruppierungsregelungen bereits seit dem 1. Januar 2017 in der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) eingruppiert war und die Stufenlaufzeit in Stufe 3 zu diesem Zeitpunkt begann.
    30 (1) Eine Einigung bezüglich des Stufenaufstiegs, welcher an die Eingruppierung anknüpft, kam nach Auffassung beider Parteien nicht zustande. Ziffer 1 des Vergleichs beinhaltet dementsprechend seinem Wortlaut nach lediglich eine ab dem 1. Juni 2018 geltende Zahlungsverpflichtung der Beklagten bezüglich Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA). Dies kann nicht als rechtlich bindender Tatsachenvergleich bezüglich des Vorliegens bestimmter Eingruppierungsvoraussetzungen zu einem bestimmten Zeitpunkt mit Auswirkung auf die Stufenlaufzeit verstanden werden.
    31 (2) Wäre die Klägerin nach den tariflichen Eingruppierungsvorgaben (erst) seit dem 1. Juni 2018 in der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) eingruppiert gewesen, würde es sich nur um die deklaratorische Wiedergabe einer Zahlungsverpflichtung handeln, welche nach Tarifrecht ohnehin besteht.
    32 (3) Wäre die Klägerin nach Tarifrecht zum 1. Juni 2018 eigentlich in einer niedrigeren Entgeltgruppe eingruppiert gewesen, so würde es sich um die konstitutive Regelung einer übertariflichen Leistung handeln, welche keinen zwingenden Rückschluss auf die tarifliche Eingruppierung für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 1. Juni 2018 zuließe. Diese Frage blieb gerade ungeklärt.
    33 (4) Sollte nach den tariflichen Regelungen bereits seit dem 1. Januar 2017 eine Vergütungspflicht nach Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) bestanden haben, so stünde die vergleichsweise geschlossene Vereinbarung dem streitgegenständlichen Anspruch nicht entgegen. Ein Verzicht der Klägerin auf tarifliche Rechte, welche sich wie zB der Stufenaufstieg aus einer Eingruppierung in der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) seit dem 1. Januar 2017 ergäben, wäre mangels Billigung der Tarifvertragsparteien unzulässig.
    34 (a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts finden die Regelungen des TVöD (VKA) auf das Arbeitsverhältnis aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1 TVG) Anwendung. Nach § 4 Abs. 3 TVG sind von dem Tarifvertrag abweichende Abmachungen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers enthalten. Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nach § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Dies gilt auch für den Prozessvergleich (ErfK/Franzen 22. Aufl. TVG § 4 Rn. 45).
    35 (b) Die Eingruppierungsvorgaben sind nach § 12 Abs. 1 TVöD-AT (VKA) zwingend. Dies übersieht das Landesarbeitsgericht, wenn es ausführt, dass sich die Parteien auf den Zeitpunkt der Höhergruppierung zum 1. Juni 2018 wirksam geeinigt hätten. Die Einigung stellt keinen Tatsachenvergleich dar, auf den § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG nicht anzuwenden wäre. Um einen Tatsachenvergleich handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur, wenn eine bestehende Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll (BAG 12. Februar 2014 – 4 AZR 317/12 – Rn. 19, BAGE 147, 199; 9. Dezember 2009 – 10 AZR 850/08 – Rn. 41; 5. November 1997 – 4 AZR 682/95 – zu I 2.2.1 der Gründe mwN). Die Parteien haben sich in dem Vergleich vom 6. März 2020 nicht über der tariflichen Eingruppierung zu Grunde liegende Tatsachen geeinigt, sondern sich auf einen Zeitpunkt der Vergütungserhöhung geeinigt, welcher keinen Bezug zu den Eingruppierungsvoraussetzungen aufweist. Der Vergleich bezieht sich nicht auf tatsächliche Verhältnisse wie Art und Umfang der ausgeübten Tätigkeit (vgl. Wiedemann/Wank TVG 8. Aufl. § 4 Rn. 765; JKOS/Jacobs Tarifvertragsrecht 2. Aufl. § 7 Rn. 129).
    36 c) Das Landesarbeitsgericht hat – aus seiner Sicht konsequent – keine Feststellungen getroffen, welche eine Beurteilung der Eingruppierung ab dem 1. Januar 2017 durch den Senat ermöglichten. Es wird daher unter Berücksichtigung der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin im fortzusetzenden Verfahren zu klären haben, in welcher Entgeltgruppe die Klägerin seit dem 1. Januar 2017 eingruppiert war. Erst hieran anschließend kann die Frage beantwortet werden, zu welchem Zeitpunkt die Stufenlaufzeit nach § 16 TVöD-AT (VKA) begann.
    37 B. Über den Hilfsantrag war folglich nicht zu entscheiden. Der Inhalt des mit ihm geltend gemachten Anspruchs ist allerdings ohnehin als ein „Weniger“ in dem zu 1. gestellten Hauptantrag enthalten (vgl. hierzu BAG 13. Juli 2022 – 5 AZR 412/21 – Rn. 36; 13. November 2019 – 4 AZR 490/18 – Rn. 17, BAGE 168, 306; 18. September 2018 – 9 AZR 199/18 – Rn. 33). Das Klagebegehren des Hilfsantrags unterscheidet sich vom Hauptantrag nur durch den späteren Beginn der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung. Dem Hilfsantrag kommt daher keine eigenständige prozessuale Bedeutung zu.


    BAG-Urteil vom 08. Dez 2022, 6 AZR 459/21

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