Schuldrecht VIII ZR 287/20 - Weitere Entscheidung in Klageserie gegen Berliner Fernwärmeversorgungsunternehmen

  • Der u.a. für das Energielieferungsrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die von der Beklagten verwendete Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis zwar gemäß § 134 BGB unwirksam ist, dies - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - aber nicht aus einem Verstoß gegen das Transparenzgebot in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV folgt.

    Im Anschluss an sein Urteil vom 6. April 2022 (VIII ZR 295/20, siehe hierzu BGH PM 60/2022) hat sich der Bundesgerichtshof heute erneut mit Rechtsfragen zu Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen befasst. Es handelt sich um ein weiteres von zahlreichen beim VIII. Zivilsenat anhängigen Verfahren, in denen Ansprüche gegen ein Berliner Energieversorgungsunternehmen geltend gemacht werden. Auch am Land- und Kammergericht in Berlin werden in diesem Zusammenhang derzeit noch weitere Rechtsstreitigkeiten geführt.


    Sachverhalt:


    Die Beklagte belieferte die Kläger in den Jahren 2002 bis 2018 auf der Grundlage von Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV mit Fernwärme. Hiernach stellte die Beklagte ihren Kunden einen verbrauchsunabhängigen Bereitstellungspreis und einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis in Rechnung, die sie nach Maßgabe im Vertrag vorgesehener Preisänderungsklauseln jährlich anpasste.


    Im Januar 2019 entschied das Kammergericht in einem anderen gegen die Beklagte gerichteten Rechtsstreit, dass die auf den Arbeitspreis bezogene Preisänderungsklausel den Transparenzanforderungen in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV nicht genüge und damit sämtliche in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen der Beklagten enthaltenen Anpassungsklauseln - also auch die den Bereitstellungspreis betreffende - nach § 139 BGB unwirksam seien. Unter Berufung auf dieses Urteil hielten die Kläger - wie andere Kunden auch - die entrichteten Wärmeentgelte für überhöht und verlangten Rückerstattung.


    Bisheriger Prozessverlauf:


    Die auf Rückzahlung in den Jahren 2015 bis 2018 vermeintlich überzahlter Arbeits- und Bereitstellungspreise in Höhe von 1.350,24 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat vor dem Amtsgericht zunächst Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil jedoch abgeändert und die Klage abgewiesen.


    Dabei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass allein die den Arbeitspreis betreffende Preisänderungsklausel nach § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV intransparent und deshalb gemäß § 134 BGB unwirksam sei. Aber auch diesbezüglich sei es im streitgegenständlichen Zeitraum zu keiner Überzahlung gekommen, da insoweit - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht der bei Abschluss des Vertrags im Jahr 2002 vereinbarte (deutlich niedrigere) Anfangspreis, sondern nach der sogenannten Dreijahreslösung des Bundesgerichtshofs vielmehr der Arbeitspreis des Jahres 2014 maßgebend sei, welcher in den nachfolgenden Jahren bis 2018 jedoch nicht überschritten worden sei. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des (stattgebenden) erstinstanzlichen Urteils.


    Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:


    Der unter anderem für das Energielieferungsrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die von der Beklagten verwendete Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis zwar gemäß § 134 BGB unwirksam ist, dies - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - aber nicht aus einem Verstoß gegen das Transparenzgebot in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV folgt.


    Ausweislich dieser in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen der Beklagten (bis zum Ende des streitgegenständlichen Zeitraums) enthaltenen Preisänderungsklausel und den dazugehörigen Erläuterungen wird der Arbeitspreis für das abzurechende Jahr rückwirkend im gleichen Verhältnis erhöht oder gesenkt, in dem sich der von der Beklagten ihrerseits an ihren Vorlieferanten für den Wärmebezug zu leistende Energiepreis in diesem Zeitraum verändert hat. Damit ist die Art und Weise der periodischen Anpassung des Arbeitspreises für den Kunden aus sich heraus hinreichend klar und verständlich. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gebietet das Transparenzgebot des § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV darüber hinaus eine Erläuterung der Zusammensetzung der Bezugspreise des Fernwärmeversorgungsunternehmens, also insbesondere der diesen zugrundeliegenden vertraglichen und preislichen Bestimmungen oder auch die namentliche Bezeichnung des Bezugslieferanten, nicht. Diese Gesichtspunkte können allenfalls für die Prüfung der inhaltlichen Angemessenheit einer solchen Klausel von Bedeutung sein.


    Die den Arbeitspreis betreffende Preisänderungsklausel der Beklagten verstößt allerdings gegen die Anforderung des § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV, dass neben der Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen auch die "jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt" angemessen berücksichtigt werden müssen. Mit diesem zusätzlichen "Marktelement" soll angesichts der häufig monopolartigen Stellung von Fernwärmeversorgungsunternehmen gegenüber einer rein kostenorientierten Preisanpassung gewährleistet werden, dass Versorger durch Anpassungen des Wärmepreises nicht beliebig ihre Kosten weiterreichen können, sondern sich aufgrund der Einbeziehung der Verhältnisse am Wärmemarkt dem Vergleich mit anderen Energieanbietern stellen müssen und so einen Anreiz haben, die Wärmeversorgung effizient zu gestalten. Dem wird die von der Beklagten verwendete Preisanpassungsklausel jedoch nicht gerecht, weil sie Anpassungen des Arbeitspreises ausschließlich anhand eines ihre Kostenentwicklung abbildenden Parameters vollzieht.


    Die Kläger können - wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist - die Unwirksamkeit auf der Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis beruhender Preiserhöhungen jedoch nur insoweit geltend machen, als sie diese innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet haben (sogenannte Dreijahreslösung; siehe hierzu etwa Pressemitteilung Nr. 35/2012 sowie Senatsurteile vom 24. September 2014 - VIII ZR 350/13, NJW 2014, 3639 Rn. 16 f.; vom 26. Januar 2022 - VIII ZR 175/19, ZIP 2022, 901 Rn. 26 mwN). Diese seit vielen Jahren gefestigte Rechtsprechung ist, wie der Senat in der heutigen Entscheidung noch einmal eingehend ausgeführt hat, auch angesichts der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unverändert mit den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie vereinbar. Bei ihrer gegenteiligen Auffassung blenden die Revision und Teile des Schrifttums insbesondere aus, dass durch die vom Senat insoweit vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung in Einklang mit der - vom Gerichtshof der Europäischen Union stets hervorgehobenen - Zielsetzung des Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie die nach dem Vertrag bestehende (infolge der unwirksamen Preisanpassungsklausel entfallene) formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien unter Berücksichtigung ihrer beider Interessen durch eine materielle Ausgewogenheit ersetzt und so deren Gleichheit wiederhergestellt wird.


    Unter Anwendung dieser Senatsrechtsprechung war vorliegend (weitgehend) der Arbeitspreis des Jahres 2014 maßgebend, so dass es im streitgegenständlichen Zeitraum nur zu einer sehr geringfügigen Überzahlung der Kläger kam. Da zudem - wie der Senat kürzlich bereits entschieden hat (Urteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, siehe hierzu BGH PM 60/2022) - die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis gemäß § 306 Abs. 1 BGB die Wirksamkeit der - als solche den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entsprechenden - Anpassungsklausel zum Bereitstellungspreis in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen der Beklagten nicht berührt, kam auch diesbezüglich ein Rückzahlungsanspruch der Kläger nicht in Betracht. Die Kläger können nur Rückzahlung des Teils der Bereitstellungskosten verlangen, die über das Vertragsende hinaus berechnet wurden. Der Senat hat die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin deshalb (ganz überwiegend) zurückgewiesen.


    Urteil vom 1. Juni 2022 – VIII ZR 287/20; BGH PM 79/2022

    Vorinstanzen:

    Amtsgericht Schöneberg – 107 C 76/19 – Urteil vom 30. Januar 2020

    Landgericht Berlin – 3 S 7/20 – Urteil vom 11. September 2020

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