Arbeitsrecht C-13/05 - EuGH: Zum Begriff „BEHINDERUNG“ im Sinne der Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf

  • Er präzisiert die Modalitäten des Schutzes von Menschen mit Behinderung auf dem Gebiet
    der Kündigung

    Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat am 11. Juli 2006 entschieden, dass das europäische Diskriminierungsverbot für Behinderte am Arbeitsplatz nicht vor Diskriminierung wegen Krankheit schützt, denn eine Krankheit ist nicht dauerhaft und deshalb nicht mit einer Behinderung gleichzusetzen. Dieses Urteil kann auch auf das noch in diesem Jahr in Kraft tretende deutsche Gleichbehandlungsgesetz angewendet werden.


    Eine Frau klagte in Spanien gegen ihren damaligen Chef eines Verpflegungsdienstes, der sie nach sieben-monatiger Krankheit ab Oktober 2003 kündigte und eine Abfindung anbot. Das spanische Gericht legte diesen Fall dem Europäischen Gerichtshof vor. Es wollte nun wissen, ob auch Krankheiten, die zu dauerhaften Beeinträchtigungen führen können vom europäischen Diskriminierungsverbot erfasst werden. Der Europäische Gerichtshof hat jetzt entschieden, dass dies nicht der Fall ist. Nicht umsonst hieße es "Behinderung", da es eine Krankheit ausschließe. Mit Behinderungen sind hier körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigungen gemeint, die das Berufsleben über eine längere Dauer einschränken. Der Rechtsgutachter des Europäischen Gerichtshofes ist allerdings der Auffassung, dass lang andauernde Krankheiten ebenfalls dazu gehören können, doch die Richter gingen darauf bei der Urteilsfindung nicht ein. (Az: C-13/05) [@]


    Die Klägerin arbeitete für die Beklagte, einen auf Verpflegungsdienste spezialisierten Betrieb. Sie war seit Oktober 2003 wegen einer Krankheit krankgeschrieben, die eine Wiederaufnahme ihrer Berufstätigkeit kurzfristig ausschloss. Im Mai 2004 teilte die Beklagte der Klägerin ihre Kündigung mit und bot ihr eine Entschädigung an.


    Frau Chacón Navas erhob eine Klage gegen Eurest. Das spanische Gericht ist der Auffassung, dass Krankheit häufig zu einer irreversiblen Behinderung führen könne und die Arbeitnehmer deshalb rechtzeitig auf der Grundlage des Verbotes der Diskriminierung wegen einer Behinderung geschützt werden müssten. Es hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften daher Fragen zur Auslegung der Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf1 vorgelegt. Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.


    Zunächst stellt der Gerichtshof fest, dass der durch die Richtlinie zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen einer Behinderung geschaffene allgemeine Rahmen für Kündigungen gelte.


    Da der Begriff „Behinderung“ in der Richtlinie nicht definiert sei, die für die Bestimmung dieses Begriffes auch nicht auf das innerstaatliche Recht verweise, sei er autonom und einheitlich auszulegen. Der Begriff „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie sei so zu verstehen, dass er eine Einschränkung erfasse, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen sei und die ein Hindernis für die Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bilde.


    Mit der Verwendung des Begriffes „Behinderung“ in der Richtlinie habe der Gesetzgeber jedoch bewusst ein Wort gewählt, das sich von dem der „Krankheit“ unterscheide. Daher ließen sich die beiden Begriffe nicht schlicht und einfach einander gleichsetzen.


    Die Bedeutung, die der Gemeinschaftsgesetzgeber Maßnahmen zur Einrichtung des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Behinderung beigemessen habe, zeige, dass er an Fälle gedacht habe, in denen die Teilhabe am Berufsleben über einen langen Zeitraum eingeschränkt sei. Damit die Einschränkung unter den Begriff „Behinderung“ falle, müsse daher wahrscheinlich sein, dass sie von langer Dauer sei.


    Die Richtlinie enthalte keinen Hinweis darauf, dass Arbeitnehmer aufgrund des Verbotes der Diskriminierung wegen einer Behinderung in den Schutzbereich der Richtlinie fielen, sobald sich irgendeine Krankheit manifestiere.


    Somit werde eine Person, der von ihrem Arbeitgeber ausschließlich wegen Krankheit gekündigt worden sei, nicht von dem durch die Richtlinie zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen einer Behinderung geschaffenen allgemeinen Rahmen erfasst.


    Zum Schutz von Menschen mit Behinderung auf dem Gebiet der Kündigung führt der Gerichtshof sodann aus, dass die Richtlinie der Entlassung wegen einer Behinderung entgegensteht, die unter Berücksichtigung der Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung zu treffen, nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass die betreffende Person für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen ihres Arbeitsplatzes nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist.


    Schließlich vertritt der Gerichtshof die Auffassung, dass Krankheit als solche nicht als ein weiterer Grund neben denen angesehen werden kann, derentwegen Personen zu diskriminieren nach der Richtlinie verboten ist.


    Urteil vom 11. Juli 2006; C-13/05; EuGH PM 55/2006


    ________________________________

    1 Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die

    Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).

ZAP-Hosting Gameserver für Minecraft