Datenschutz 17 Sa 8/20 - Datenlöschung kann zu fristloser Kündigung führen

  • Löscht ein Arbeitnehmer im Anschluss an ein Personalgespräch, in dem der Arbeitgeber den Wunsch äußerte, sich vom Arbeitnehmer trennen zu wollen, vom Server des Arbeitgebers Daten in erheblichem Umfang (hier: 7,48 GB), rechtfertigt dies die außerordentlich fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

    1 Tenor


    1. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Aalen, vom 1. Oktober 2019 - 27 Ca 97/19 - abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
    3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 90% und die Beklagte 10% zu tragen, die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
    4. Die Revision wird nicht zugelassen.


    2 Tatbestand


    Die Parteien streiten über eine außerordentlich fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.


    Die Beklagte produziert und vertreibt Reinigungsgeräte, insb. Staubsauger, vor allem für die Industrie und Gewerbetreibende, aber auch für Privatkunden und beschäftigt hierzu mehr als zehn Arbeitnehmer iSv. § 23 Abs. 1 KSchG.


    Der verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bereits im Zeitraum vom 13. März 2013 bis zum 31. Mai 2015 bei der Beklagten beschäftigt, wobei das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Klägers endete. Zum 1. Februar 2016 trat der Kläger erneut in ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten als Key-Account-Manager im Außendienst ein. Das Bruttoarbeitsentgelt betrug zuletzt 4.896,00 Euro monatlich.


    Die von der Beklagten aufgebaute IT-Infrastruktur sieht für die Mitarbeiter vor, dass deren erstellte bzw. abgespeicherte Dateien nicht lokal, sondern auf dem Server der Beklagten zentral - unter einem den Mitarbeitern zugewiesenen Verzeichnis - abgelegt werden. Vorgesehener Speicherort für den Kläger auf dem Server war das Verzeichnis „\\A1\homes\[Nachname des Klägers]“.


    Mit Schreiben vom 17. Dezember 2018 (Bl. 24 d. Akte ArbG) mahnte die Beklagte den Kläger wegen Verstoßes gegen die Weisung, freitags die Wochenplanung für die folgende Woche vorzulegen, ab.


    Am 5. Februar 2019 (Dienstag) fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger statt. In diesem Gespräch erklärte der Geschäftsführer, die Beklagte wolle das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen aufgetretener Spannungen beenden und bot dem Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrags - Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Wahrung der vertraglichen Kündigungsfrist bei unwiderruflicher Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche - an. Der Kläger lehnte dies ab und forderte seinerseits eine Abfindung von sechs Monatsvergütungen, ansonsten sehe man sich vor Gericht. Der Geschäftsführer lehnte für die Beklagte die Zahlung einer Abfindung ab. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbarten die Parteien daraufhin nicht.


    Nach Abschluss des Gesprächs verabschiedete sich der Kläger bei der Einkäuferin der Beklagten, Frau H., indem er ihr die Hand gab mit den Worten „man sieht sich immer zweimal im Leben“. Der Kläger verließ sodann das Betriebsgelände.


    An den folgenden Tagen (6. und 7. Februar 2019) war der Kläger weder für die Beklagte noch für Kunden erreichbar. Am 7. Februar 2019 löschte der Kläger Daten auf dem Server der Beklagten im für ihn vorgesehenen Verzeichnis. Zu den gelöschten Daten gehörten ua. „Umsatzmeldungen Handelsgruppen 2018“, Vorlagen zur Preisliste (Schweiz), Auswertungen von Daten des Bundesamts für Statistik, Daten Handel-Arbeitsschutz, [Produktname] Wettbewerbsanalyse, Auswertung Analyse Key-Account und ein Excel-Kalkulationstool.


    Gegen 17:00 Uhr informierte der IT-Leiter der Beklagten (Herr E.) den Geschäftsführer darüber, dass ca. 8 Gigabyte (GB) an Daten auf dem Server der Beklagten gelöscht worden seien. Eine Datenrettung konnte später erfolgreich durchgeführt werden.


    Mit Schreiben vom 11. Februar 2019 hörte die Beklagte den Kläger unter Fristsetzung bis zum 19. Februar 2019 (12:00 Uhr) zu dem Verdacht, der Kläger habe nach dem Personalgespräch vom 5. Februar 2019 wegen der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses betriebsnotwendige Daten und Arbeitsergebnisse im Umfang von 7,48 GB gelöscht und damit die Beklagte geschädigt, deren Interessen jedenfalls gefährdet, an. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.


    Am 12. Februar 2019 reichte der Kläger ein ärztliches Attest vom 11. Februar 2019 ein, welches eine Arbeitsunfähigkeit seit dem 7. Februar 2019 attestierte.


    Mit Schreiben vom 20. Februar 2019 (Bl. 4 u. 5 d. Akte ArbG) erklärte die Beklagte die außerordentlich fristlose Tat- und Verdachtskündigung, hilfsweise eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Kündigungserklärung ging dem Kläger am 21. Februar 2019 wortlautgleich zweimal zu.


    Mit der am 8. März 2019 beim Arbeitsgericht Stuttgart eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte verlangte ihrerseits vom Kläger die Erstattung der mit der Wiederherstellung/Sichtung des Datenbestandes verbundenen Kosten iHv. 330,00 Euro und die Herausgabe eines Feuerwehrsaugers (Typ [Produktname]) im Wege der Widerklage.


    Zum Nachweis und zur Veranschaulichung, welche Daten der Kläger gelöscht haben soll und welche Daten auch nach Löschung der übrigen Daten noch vorhanden waren, hat die Beklagte eine 93seitige tabellarische Übersicht „Ordnervergleich“ vorgelegt, wonach in der Tabelle links die noch vorhandenen und rechts die gelöschten Daten dargestellt sind (Bl. 30 bis 122 der Akte ArbG). Auszugsweise gestaltet sich die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung wie folgt:



    Der Kläger hat erstinstanzlich gemeint, der Vorwurf der Beklagten, er habe 7,48 GB an Daten gelöscht, sei zu pauschal. Er könnte sich hierzu nicht einlassen, weil schon in vielen Fällen der Dateiname nicht bzw. nicht vollständig in der Aufstellung wiedergegeben sei. Im Übrigen sei der Speicherort „sein Ordner“, dies sei „sein Arbeitsplatz“. Der Kläger könne hier Dateien erstellen und bearbeiten, welche dann später in Kunden- oder Serverordnern abgespeichert würden. Die Beklagte habe daher immer alle betriebsnotwendigen und erforderlichen Daten besessen. Ein Wille, der Beklagten zu schädigen, habe nicht vorgelegen. Soweit es um den Vorwurf der Löschung von Umsatzmeldungen gehe, sei die Verständlichkeit und Funktionalität dieser Excel-Mappen in der Vergangenheit mehrfach bezweifelt worden. Für eine Präsentation im Vertriebsmeeting seien Auswertungen für das Jahr 2018 nicht mit aufgenommen worden. Die entsprechenden Dateien seien bei den entsprechenden Handelsgruppen hinterlegt. Die Dateien seien im Vorfeld an die Vertriebsleitung und Assistenz per Mail gesendet worden. Was Preislisten (zB Schweiz) betreffe, seien die Arbeitsergebnisse im entsprechenden Ordner auf dem Server abgelegt oder intern per Mail verteilt worden. Die Daten zu den Kunden „W. AG“ und „M. H.“ seien in den Kundenordner hinterlegt und im Kundenprogramm sichtbar als Kontakteintrag und als Info an den Vertriebsinnendienst und die Vertriebsleitung gegangen. Die Datei „Bundesamt Statistik“ sei ein rein privates und auf eigene Initiative des Klägers entstandenes Datei-Projekt. Eine Arbeitsanweisung habe nicht vorgelegen. Die Datei sei im Jahr 2016 erstellt worden und im Jahr 2016 bei einem Meeting vorgestellt worden. Seither sei die Datei nicht mehr angefragt worden. Eine Kopie sei an die Vertriebsleitung gegangen. Die Datei „Handel-Arbeitsschutz“ habe der Kläger von einem befreundeten Geschäftskontakt erhalten und dem Geschäftsführer zukommen lassen, der jedoch eine Verwendung abgelehnt habe. Die Daten zur Wettbewerbsanalyse [Produktname] habe der Kläger aus eigener Initiative erstellt; die Ergebnisse seien im entsprechenden Ordner (Artikelbeschreibung) auf dem Server hinterlegt und an die Vertriebsleitung per Mail versandt worden. Was den Vorwurf zu Dateien zur Auswertung und Analyse Key-Account betreffe, so zeige der Dateinamen, dass die Datei schon einmal an dieser Stelle auf dem Server hinterlegt war. Das Excel-Kalkulationstool sei an die Entwicklung und Vertriebsleitung gemailt worden und bei der entsprechenden Maschine auf dem Server unter der Artikelbeschreibung abgelegt. Der weitere Verbleib sei dem Kläger nach der Umstrukturierung der Serverstruktur nicht bekannt.


    Der Kläger beantragte erstinstanzlich:

    1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20. Februar 2019 nicht aufgelöst wurde.
    2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20. Februar 2019 nicht aufgelöst wurde.
    3. Die Widerklage abzuweisen.


    Die Beklagte beantragt erstinstanzlich:


    1. Die Klage abzuweisen.
    2. Der Kläger wird verurteilt, 330,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank an die Beklagte zu bezahlen.
    3. Der Kläger wird verurteilt, einen Feuerwehrsauger vom Typ [Produktname] an die Beklagte herauszugeben und, wenn er dieser Verpflichtung nicht innerhalb von drei Wochen nach Rechtskraft des Urteils nachkommt, Schadensersatz in Höhe von 1.289,00 Euro netto an die Beklagte zu bezahlen.


    Die Beklagte trug erstinstanzlich vor, der Kläger habe am 7. Februar 2019 auf dem Netzwerkserver der Beklagten von 3.440 in 362 Ordnern gespeicherte Dateien bis auf 88 Dateien in 12 Ordnern sämtliche Dateien des ihm zugewiesenen Speicherortes gelöscht, was einen Umfang von 7,48 GB an Daten ergebe. Sämtliche vom Kläger erstellte Dateien, und seien dies auch Vorarbeiten, Vorlagen oder Vorgängerversionen, stünden ausschließlich der Beklagten zu. Es sei nicht Sache des Klägers zu entscheiden, welche Daten „unwichtig“ seien. Was der Kläger im Einzelnen an Dateien gelöscht habe, ergebe sich aus der Anlage „Ordnervergleich“. Bei den Dateien handele es sich um umfangreiche Arbeitsergebnisse des Klägers. Für die Beklagte sei nach der Löschung nicht klar gewesen, ob eine Wiederherstellung gelingen werde, was tatsächlich mit einem Arbeitsaufwand von ca. einem Tag gelungen sei. Wenn der Kläger meine, er müsse sich nicht im Einzelnen hierzu einlassen, mache er es sich zu leicht. Beispielhaft habe der Kläger ua. Umsatzmeldungen gelöscht. Hierbei handele es sich um vom Kläger aufbereitete, analysierte Umsatzmeldungen, welche einen detaillierten Einblick in Umsatzpotentiale ermöglichten. Zwar seien die in den gelöschten Tabellen zusammengefassten Einzelumsätze im Warenwirtschaftssystem hinterlegt, nicht jedoch die vom Kläger als Arbeitsergebnis erstellte geordnete Übersicht, die einen Umsatzvergleich erlaube. Der Kläger habe weiter Preislisten für die Schweiz gelöscht. Dies seien Listen, die von den Preislisten von Deutschland wegen für die Schweiz notwendiger baulicher Änderungen abwichen. Der Kläger habe sämtliche von ihm für den Schweizer Markt zusammengetragenen Daten gelöscht. Ebenso habe der Kläger eine Auswertung von Daten des Statistischen Bundesamtes gelöscht. Der Kläger habe in mühevoller Kleinarbeit 16 verschiedene Datenquelle ausgewertet und in Excel ein umfangreiches Verzeichnis von Innungsbetrieben und von Flächen-, Bevölkerungs- und Gebietspotentialen erstellt, die mit großer Mühe wieder neu hätten zusammengetragen werden müssen. Auch habe der Kläger den Ordner Handel-Arbeitsschutz gelöscht. Der Kläger habe für die Vertriebsarbeit benötigte Adressen von Händlern und deren internen Ansprechpartnern im Bereich Arbeitsschutz für Deutschland und Österreich aus verschiedenen Datenquellen in einer Excel-Datei zusammengeführt. Einen weiteren Speicherort für diese Dateien gebe es nicht. Die vom Kläger zusammengetragenen Dateien seien auch nicht anderweitig im System hinterlegt. Der Kläger habe auch die Daten seiner [Produktname]-Wettbewerbsanalyse gelöscht. Der Kläger habe eine umfangreiche Analyse der Marktbegleiter zum Produkt „[Produktname]-Pumpsauger“ als Sonderaufgabe erstellt, um bei öffentlichen Ausschreibungen eine Variante des Pumpsaugers für Feuerwehren marktfähig anbieten zu können. Einen weiteren Speicherort für diese gelöschten Dateien gebe es nicht. Der Kläger habe dieses vertriebsanalytische Instrument gelöscht, um offenbar nur „verbrannte Erde“ hinterlassen zu wollen. Dies tue niemand, der nur habe „aufräumen“ wollen. Auch habe der Kläger eine Auswertung und Analyse zu bestehenden Key-Account-Kunden gelöscht. Besonders dreist sei, dass der Kläger das von ihm erstellte Excel-Kalkulationstool zur Berechnung von Flächenleistungen der Reinigungsautomaten gelöscht habe. Auch dieses Tool gebe es an keinem anderen Speicherort. Das Tool müsste neu erstellt bzw. programmiert werden. Die Kündigung sei daher zu Recht erfolgt. Zudem stehe der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung/Erstattung des Aufwandes zur Sichtung und Prüfung des Datenbestandes und ein Anspruch auf Herausgabe eines Vorführgerätes vom Typ [Produktname] zu.


    Mit Urteil vom 1. Oktober 2019 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 20. Februar 2019 nicht mit sofortiger Wirkung, sondern erst zum 31. März 2019 beendet wurde. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage, wie auch die Widerklage insgesamt, abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Kläger habe Dateien gelöscht, die sich in „seinem“ Ordner befunden hätten. Dass es sich nicht nur um eine bloße Nachlässigkeit gehandelt habe, sondern um eine bewusst vorsätzliche Schädigung, könne aus den Gesamtumständen nicht abgeleitet werden. Allein der Umstand, dass sich bestimmte Dateien - entgegen der Behauptung des Klägers - nicht noch in anderen Ordnern befanden, mache aus dem Verhalten des Klägers noch keine vorsätzliche Schädigung, welche eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Auch der dringende Verdacht einer vorsätzlichen Schädigungsabsicht sei nicht zu erkennen. Das Arbeitsverhältnis werde aber von der hilfsweisen ordentlichen Kündigung beendet. Der Kläger habe gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Sämtliche Arbeitsergebnisse stünden der Beklagten zu. Einer vorherigen Abmahnung habe es wegen der Offensichtlichkeit des Pflichtenverstoßes nicht bedurft. Die Widerklage habe keinen Erfolg. Der Antrag auf Herausgabe des Feuerwehrstaubsaugers sei mangels Bestimmtheit unzulässig. Der Zahlungsantrag sei mangels Substantiierung des erforderlichen zeitlichen Aufwandes und der Notwendigkeit von Überstunden unbegründet.


    Gegen das ihm am 21. Januar 2020 zugestellte Urteil legte der Kläger am 19. Februar 2020 Berufung ein und begründete diese innerhalb der bis zum 20. April 2020 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 20. April 2020 eingegangenem Schriftsatz. Die Berufungsbegründung wurde der Beklagten am 27. April 2020 zugestellt. Mit am 25. Mai 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz legte die Beklagte Anschlussberufung ein und begründete diese sogleich.


    Der Kläger vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und meint, das Arbeitsgericht habe nicht annehmen dürfen, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen sei. Eine schwere Pflichtverletzung werde vom Arbeitsgericht auch gar nicht festgestellt. Vielmehr habe das Arbeitsgericht ausgeführt, dass nicht abgeleitet werden könne, dass eine bewusste vorsätzliche Schädigung vorliege. Der Kläger habe Dateien von „seinem“ Arbeitsordner in die dafür vorgesehenen Ordner verschoben bzw. per Email an die berechtigten Personen versendet. Die Beklagte habe also sämtliche erforderlichen Unterlagen bereits in anderen Ordnern bzw. per Email erhalten. Auch rüge die Beklagte eine Datenlöschung zum ersten Mail. Das Löschen von Daten im Arbeitsverhältnis sei in der Vergangenheit nicht bemängelt worden, auch nicht bei Kollegen. Für den Kläger sei daher nicht erkennbar, welches Problem die Beklagte beim Löschen von Daten habe. Weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung könne daher das Arbeitsverhältnis beenden, zumal die Beklagte nicht explizit vorgetragen habe, welche Daten genau vom Kläger gelöscht worden sein sollen. In der Liste „Ordnervergleich“ seien jedenfalls die Dateinamen abgeschnitten.


    Der Kläger beantragt:

    1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart -Kammern Aalen- vom 1. Oktober 2019, Aktenzeichen 27 Ca 97/19, wird abgeändert.
    2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 20. Februar 2019 beendet wird.
    3. Die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.


    Die Beklagte beantragt:

    1. Die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
    2. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Aalen, vom 1. Oktober 2019, Aktenzeichen 27 Ca 97/19, wird teilweise abgeändert und die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.


    Die Beklagte meint, wer als Arbeitnehmer unberechtigt eine Vielzahl von Arbeitsdateien bzw. Computerdaten über relevante Kundebeziehungen lösche und die Daten damit dem Zugriff des Arbeitgebers entziehe, so dass diese nur mit erheblichem Aufwand wiederherzustellen seien, verstoße derart gegen die selbstverständliche Nebenpflicht eines jeden Arbeitnehmers, die Interessen des Arbeitgebers zu berücksichtigen, dass solches Verhalten zur außerordentlich fristlosen Kündigung berechtige. Das Arbeitsgericht hätte feststellen müssen, dass der Kläger planmäßig und vorsätzlich in unmittelbarem Zusammenhang mit der von ihm angenommenen bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses Daten gelöscht habe. Da der Kläger von seinem Homeoffice Zugriff auf den Server der Beklagten gehabt habe, habe auch Wiederholungsgefahr bestanden. Dies rechtfertige eine außerordentliche Kündigung. Zu Recht habe das Arbeitsgericht jedenfalls angenommen, dass eine Abmahnung entbehrlich sei.


    Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.


    3 Entscheidungsgründe


    A.


    Von den eingelegten Rechtsmitteln hat nur die Anschlussberufung der Beklagten Erfolg.


    I.

    Sowohl die Berufung des Klägers wie auch die Anschlussberufung der Beklagten sind zulässig. Die Berufung des Klägers ist gem. § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft und gem. § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 518 ZPO, 520 ZPO in der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt und begründet worden.Die Anschlussberufung der Beklagten ist gem. § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO innerhalb der Frist, die der Beklagten zur Berufungsbeantwortung gesetzt war, eingelegt und auch innerhalb dieser Frist begründet worden.Die Begründungen zur Berufung und Anschlussberufung genügen außerdem jeweils den Anforderungen von § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1-4 ZPO.


    1. Zweck des § 520 ZPO ist es, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und den Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorzubereiten. Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht (vgl. etwa BAG 24. Oktober 2017 - 1 AZR 166/16 - Rn. 11). Sie muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will (vgl. BAG 24. Oktober 2019 - 8 AZR 528/18 - Rn. 17, AP BGB § 288 Nr. 8; 14. Mai 2019 - 3 AZR 274/18 - Rn. 18). Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es aber nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (vgl. BAG 23. November 2017 - 8 AZR 458/16 - Rn. 14, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 53; 26. April 2017 - 10 AZR 275/16 - Rn. 13; 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 168).


    2. Die Berufung des Klägers setzt sich an diesen Maßstäben gemessen ausreichend mit der Argumentation des Arbeitsgerichts, vor einer ordentlichen Kündigung habe wegen der Offensichtlichkeit des Pflichtenverstoßes eine Abmahnung nicht erfolgen müssen, auseinander, indem sie geltend macht, im Rahmen der Prüfung des wichtigen Grundes für die außerordentliche Kündigung sei das Arbeitsgericht noch davon ausgegangen, dass lediglich eine bloße Nachlässigkeit und keine vorsätzliche Schädigung vorliege. Daher hätte auch abgemahnt werden müssen.


    3. Die Anschlussberufung der Beklagten setzt sich ebenso ausreichend mit der Argumentation des Arbeitsgerichts, es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger die Beklagte habe vorsätzlich schädigen wollen, auseinander und macht geltend, dass es für eine außerordentliche Kündigung genüge, wenn eine Vielzahl von Arbeitsdateien bzw. Computerdaten gelöscht und dem Zugriff des Arbeitgebers entzogen werde.


    II.

    Die Anschlussberufung der Beklagten ist begründet. Die außerordentlich fristlose Kündigung der Beklagten vom 20. Februar 2019 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet. Hierbei hat die Beklagte nur eine einzige Kündigung erklärt, auch wenn die verkörperte Kündigungserklärung dem Kläger zweimal zugegangen ist. Aus objektiver Empfängersicht (§§ 133 BGB, 157 BGB) handelt es sich nicht um zwei außerordentliche Kündigungen, die getrennt angegriffen werden müssen, sondern um eine Kündigungserklärung, welche zweimal verlautbart wurde (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64). Diese Kündigungserklärung hat das Arbeitsverhältnis mit Zugang beendet.


    1. Das Verhalten des Klägers stellt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen einen wichtigen Grund zur außerordentlich fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar.


    a) Das Arbeitsverhältnis kann vom Arbeitgeber aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann, § 626 Abs. 1 BGB. Entscheidend ist die objektive Rechtslage im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Der Kündigungsgrund muss sich in Zukunft nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken (Prognoseprinzip). Die Prüfung des wichtigen Grundes erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in zwei Stufen.


    aa) Zunächst ist zu prüfen, ob ein Grund vorliegt, der an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (vgl. BAG 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 274; 14. Dezember 2017 - 2 AZR 86/17 - Rn. 27, BAGE 161, 198; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - AP BGB § 626 Nr. 179 mwN; APS/Vossen § 626 BGB Rn. 29). Sodann ist eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (zweite Stufe), bei der sich das Überwiegen der Interessen des Kündigenden ergeben muss (vgl. BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 292/96 - AP BGB § 626 Nr. 131; APS/Vossen § 626 BGB Rn. 30). Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 21, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 40; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist nur gegeben, wenn das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung die Feststellung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf zu berücksichtigen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 21, aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - NZA 2006, 491). Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können - je nach Lage des Falls - Bedeutung gewinnen. Sie sind jedenfalls bei der Interessenabwägung nicht generell ausgeschlossen und können zu berücksichtigen sein (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 955/11 - Rn. 38, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 42 mwN).


    bb) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - NZA-RR 2007, 571 ff.). Als mildere Reaktion sind insbesondere Abmahnung (vgl. § 314 Abs. 2 BGB i.V. mit § 323 Abs. 2 BGB) und ordentliche Kündigung anzusehen, die als alternative Gestaltungsmittel dann geeignet sind, wenn der mit der außerordentlichen Kündigung verfolgte Zweck - Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - schon durch sie zu erreichen ist (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO.; KR-Fischermeier 12. Aufl. § 626 BGB, Rn. 265 f.; ErfK/Niemann § 626 BGB Rn. 24 ff.). Die Notwendigkeit der Prüfung, ob eine fristgerechte Kündigung als Reaktion ausgereicht hätte, folgt schon aus dem Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB. Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (die Kündigung als „ultima ratio“) und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung. Dies gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe.


    cc) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG 27. Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 23, AP BGB § 626 Nr. 277; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16, NZA 2013, 319; 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, NJW 2013, 104). Einer Abmahnung bedarf es nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. BAG 27. Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - aaO; 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 30, aaO; 29. Juni 2017 - 2 AZR 302/16 - Rn. 28, BAGE 159, 267; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16, aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 18 mwN, AP BGB § 626 Nr. 234 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 35). Eine frühere, unwirksame Kündigung kann die Funktion einer Abmahnung dann erfüllen, wenn der Kündigungssachverhalt feststeht und die Kündigung aus anderen Gründen - zB wegen fehlender Abmahnung - für unwirksam erachtet worden ist (vgl. BAG 31. August 1989 - 2 AZR 13/89 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 23 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 27; ErfK/Niemann § 626 BGB Rn. 32).


    b) Spricht der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung aus, so ist er für alle Umstände des wichtigen Grundes darlegungs- und beweisbelastet. Den Kündigenden trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund ausschließen (vgl. BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 24, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 18; 6. August 1987 - 2 AZR 226/87 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 97 = EzA BGB § 626 nF Nr. 109; KR-Fischermeier § 626 BGB Rn. 395; HaKo-KSchR/Gieseler § 626 BGB Rn. 160 ff.). Der Kündigende braucht aber nicht von vornherein alle nur denkbaren Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe zu widerlegen. Der Gekündigte ist vielmehr nach § 138 Abs. 2 ZPO gehalten, substantiiert zu bestreiten (vgl. BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - aaO; 23. September 1992 - 2 AZR 199/92 - zu II 4 a der Gründe, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 44). Den Arbeitnehmer kann zudem schon auf der Tatbestandsebene des wichtigen Grundes eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber als primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht, während der Arbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer gehalten sein, dem Arbeitgeber durch nähere Angaben weiteren Sachvortrag zu ermöglichen. Kommt er in einer solchen Prozesslage seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers - soweit es nicht völlig „aus der Luft gegriffen“ ist - iSv. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Dabei dürfen an die sekundäre Behauptungslast des Arbeitnehmers keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungs- und beweispflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und sodann substantiiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten (vgl. BAG 17. März 2016 - 2 AZR 110/15 - Rn. 32; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31, DB 2009, 964). Nur bei einer substantiierten Einlassung ist es dem Kündigenden möglich, die Angaben zu überprüfen und, falls sie sich nach seinen Ermittlungen als unrichtig herausstellen, die erforderlichen Beweise anzutreten (vgl. KR-Fischermeier § 626 BGB Rn. 397; AR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 244; ErfK/Niemann § 626 BGB Rn. 235; HWK/Sandmann § 626 BGB Rn. 422 f.). Je nach den Umständen des Einzelfalls können trotz substantiierten Gegenvorbringens die Indizien, die für eine rechtswidrige Pflichtverletzung des Arbeitnehmers sprechen, allerdings so gewichtig sein, dass es ihm obliegt, diese zu entkräften (vgl. BAG 12. März 2009 - 2 AZR 251/07 - Rn. 30, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 26).


    c) Danach liegt ein wichtiger Grund vor, welcher die Beklagte zum Ausspruch einer außerordentlich fristlosen Kündigung berechtigte.


    aa) Die Löschung von Daten auf dem Server der Beklagten stellt einen wichtigen Grund - an sich - dar.


    (1) Als wichtiger Grund ist neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet (vgl. BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 247; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 29, BAGE 137, 54). Das unbefugte, vorsätzliche Löschen betrieblicher Daten auf EDV-Anlagen des Arbeitgebers ist ebenso wie das Vernichten von Verwaltungsvorgängen (vgl. LAG Hamm 2. Juni 2005 - 15 Sa 126/05 - juris) daher grundsätzlich als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Dabei kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob sich der Arbeitnehmer durch das Löschen von Daten nach § 303a StGB oder § 303b StGB strafbar gemacht hat (vgl. dazu: OLG Nürnberg 23. Januar 2013 - 1 Ws 445/12 - ZD 2013, 282; aA Floeth EWiR 2013, 529; kritisch: Popp jurisPR-ITR 7/2013 Anm. 3) auch nicht darauf, ob und mit welchem Aufwand ein Teil dieser gelöschten Daten wieder hergestellt werden konnte oder darauf, ob und in welchem Umfang die Arbeitgeberin für den weiteren Geschäftsablauf diese Daten tatsächlich benötigte. Denn es gehört zu den vertraglichen Nebenpflichten eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB, dass der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber den Zugriff auf betriebliche Dateien nicht verwehrt oder unmöglich macht (vgl. LAG Hessen 5. August 2013 - 7 Sa 1060/10 - Rn. 62, RDV 2014, 167; Ebert ArbRB 2014, 378, 379; zum Löschen eines Programms auf dem dienstlichen Rechner vgl. LAG Sachsen 17. Januar 2007 - 2 Sa 808/05 - Rn. 70 ff., LAGE KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 96). Die sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Rücksichtnahmepflicht verlangt von den Parteien eines Arbeitsverhältnisses, gegenseitig auf die Rechtsgüter und Interessen der jeweils anderen Vertragspartei Rücksicht zu nehmen. Danach hat der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (vgl. BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19, aaO). Ein unbefugtes Löschen von dem Arbeitgeber zustehenden und an diesen in entsprechender Anwendung von § 667 BGB herauszugebenden Dateien stellt sich als erhebliche Pflichtverletzung dar. Dem Arbeitgeber steht ein Anspruch in entsprechender Anwendung von § 667 BGB auf Herausgabe der im Arbeitsverhältnis vom Arbeitnehmer erstellten oder von Dritten erlangten digitalen Unterlagen zu (vgl. MüKo-BGB/Schäfer 8. Aufl. § 667 Rn. 18; vgl. auch: Röckl NZA-RR 2016, 505). Nach § 667 BGB ist der Arbeitnehmer wie eine Beauftragter verpflichtet, dem Arbeitgeber alles, was er zur Ausführung der ihm übertragenen Arbeit erhalten und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, herauszugeben. Diese auftragsrechtlichen Grundsätze finden auch bei Arbeitsverhältnissen Anwendung (vgl. BAG 21. August 2014 - 8 AZR 655/13 - Rn. 36, BAGE 149, 47; 14. Dezember 2011 - 10 AZR 283/10 - Rn. 17, AP BGB § 667 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 667 Nr. 2). Zur Ausführung der übertragenen Arbeit erhalten hat der Arbeitnehmer alles, was ihm zum Zwecke der Durchführung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden ist. Aus dem Arbeitsverhältnis erlangt ist jeder Vorteil, den der Arbeitnehmer aufgrund eines inneren Zusammenhangs mit dem Arbeitsverhältnis erhalten hat (vgl. BAG 21. August 2014 - 8 AZR 655/13 - aaO; 14. Dezember 2011 - 10 AZR 283/10 - Rn. 19, aaO mwN). Hierzu gehören Unterlagen, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber bzw. dessen Repräsentanten zur Verfügung gestellt worden sind (§ 667 Alt. 1 BGB), und die, die er während des Arbeitsverhältnisses, beispielsweise durch einen Schriftverkehr mit Dritten, erlangt hat (§ 667 Alt. 2 BGB). Aus der Geschäftstätigkeit iSd. § 667 BGB erlangt sind auch die vom Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Arbeitgeber selbst angelegten Akten, sonstige Unterlagen und Dateien - mit Ausnahme von privaten Aufzeichnungen (vgl. BAG 14. Dezember 2011 - 10 AZR 283/10 - Rn. 20, aaO; vgl. auch: BAG 24. November 1960 - 5 AZR 261/60 - AP LitUrhG § 11 Nr. 1). Wenn ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber eigenmächtig den Zugriff zu solchen Daten entzieht (vgl. zur Verwendung eines Sicherungsprogramms, welches die Zugriffsmöglichkeit für den Arbeitgeber verhinderte: LAG Mecklenburg-Vorpommern 18. Juli 2006 - 3 Sa 474/05 - juris) oder diese löscht, verstößt er derart gegen die selbstverständlichen Nebenpflichten eines jeden Arbeitnehmers, die Interessen des Arbeitgebers als seines Vertragspartners zu berücksichtigen, dass ein solches Verhalten in aller Regel zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt und die Fortsetzung bis zum Ende der Kündigungsfrist unzumutbar ist (vgl. LAG Hamm 16. März 2016 - 15 Sa 451/15 - Rn. 100, juris; LAG Hamburg 24. Februar 2015 - 2 TaBV 10/14 - Rn. 44, juris; LAG Hessen 5. August 2013 - 7 Sa 1060/10 - RDV 2014, 167; LAG Köln 24. Juli 2002 - 8 Sa 266/02 - NZA-RR 2003, 303; Ebert, ArbRB 2014, 378). Einer Abmahnung bedarf es in der Regel nicht, da ein Arbeitnehmer üblicherweise nicht annehmen kann, das unbefugte Löschen von geschäftlichen Daten werde vom Arbeitgeber hingenommen werden (vgl. Ebert ArbRB 2014, 378, 381). Ob eine Verletzung arbeitsvertraglicher (Neben-)Pflichten vorliegt, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Handelt der Arbeitnehmer in der Annahme, sein Verhalten sei rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (vgl. BAG 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 257; 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 22, BAGE 153, 111).


    (2) Der Kläger hat am 7. Februar 2019 3.352 Daten und 350 Ordner auf dem Server der Beklagten aus dem Verzeichnis -\\A1\homes\[Nachname des Klägers] gelöscht, jedenfalls ganz überwiegend ohne hierzu berechtigt zu sein bzw. ohne rechtfertigenden Grund. Davon ist die Kammer überzeugt (§ 286 ZPO).


    (a) Die Beklagte hat neben der vom Kläger gelöschten Datenmenge (7,48 GB) und der Anzahl der gelöschten Dateien eine 93seitige Tabelle „Ordnervergleich“ vorgelegt, aus der sich sämtliche vom Kläger gelöschten Dateien und Ordner ergeben sollen. Dieser Vortrag der Beklagten ist zunächst nicht deshalb unbeachtlich, weil sich der Beklagtenvertreter nicht die Mühe gemacht hat, den Inhalt der Anlage in einen seiner Schriftsätze zu integrieren. Zwar sind Gerichte nicht verpflichtet, umfangreiche Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren (vgl. BAG 30. Oktober 2019 - 10 AZR 177/18 - Rn. 20, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 381). Auch ersetzt die Bezugnahme auf Anlagen grundsätzlich keinen Sachvortrag (vgl. BAG 25. April 2018 - 5 AZR 245/17 - Rn. 40, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 31). Möglich ist jedoch, auf eine - aus sich selbst heraus verständliche - Anlage, die damit auch vom Richter keine unzumutbare Sucharbeit verlangt, Bezug zu nehmen, um den eigenen Sachvortrag zu substantiieren. Wollte man in einem solchen Fall den Prozessbevollmächtigten verpflichtet halten, die Aufstellung abzuschreiben, stellte dies eine durch nichts zu rechtfertigende Förmelei dar (vgl. BGH 2. Oktober 2018 - VI ZR 213/17 - Rn. 8, BeckRS 2018, 33393). Die Bezugnahme auf die Tabelle Ordnervergleich stellt einen solch zulässigen Verweis auf Anlagen dar, weil die Beklagte hiermit lediglich ihren Vortrag, der Kläger habe von 3.440 Dateien 3.352 Daten gelöscht, um die konkreten Verzeichnisse und Dateien konkretisiert. Die Tabelle ist dabei aus sich selbst heraus verständlich.


    (b) Der Kläger hat sich zu diesem Vorwurf nicht weiter konkret eingelassen, sondern vorgetragen, er habe niemals eingeräumt 7,48 GB an Daten gelöscht zu haben, in der synoptischen Darstellung der Beklagten seien die aufgeführten Dateinamen dem Kläger teilweise bekannt, teilweise aber wegen der Spaltenbreite nicht vollständig dargestellt. Dies führe dazu, dass der Kläger nicht überprüfen könne, welche Dateien sich hinter dem Löschungsvorgang verbergen. Richtig ist zwar, dass sich im Einzelfall einzelne Dateien nicht vollständig durch die tabellarische Darstellung mit ihrer vollen Bezeichnung entnehmen lassen. Da aber auch die vollständige Ordnerstruktur wiedergegeben und immer erkennbar ist, hätte sich der Kläger ohne Weiteres zum gesamten Ordner und - soweit die Dateien vollständig wiedergegeben sind - auch zu den einzelnen Dateien einlassen können und müssen. Der Kläger hat - unstreitig - Löschungen vorgenommen und kann sich ohne Weiteres infolge seiner eigenen Wahrnehmungen zu den Löschungen einlassen. Macht er dies - wie vorliegend - nicht bzw. nur pauschal, gilt das Vorbringen der Beklagten zu den Löschungen als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).


    (c) Der Kläger hat auch keinen - generellen - Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund substantiiert vorgetragen, der ihn berechtigte, Datenlöschungen vorzunehmen. Grundsätzlich stehen sämtliche Dateien in sämtlichen Stadien, dh. auch Entwurfsfassungen oder Vorkorrespondenzen dem Arbeitgeber zu; vorbereitende Unterlagen fallen unter § 667 BGB (vgl. MüKo-BGB/Schäfer § 667 Rn. 22). Der Kläger irrt, wenn er meint, er habe „seine“ Dateien auf „seinem“ Arbeitsplatz gelöscht. In diesem Zusammenhang ist es auch nicht Sache der Beklagten zu recherchieren und vorzutragen, ob und ggf. in welchem weiteren Verzeichnis auf dem Server sich frühere oder spätere Versionen der Dateien oder ggf. Kopien befinden bzw. welche konkrete Personen in der Vergangenheit welche konkrete Dateien per E-Mail bereits erhalten haben, um einen Rechtfertigungsgrund auszuschließen. Vielmehr war es - im Sinne einer sekundären Darlegungslast - Sache des Klägers, den von ihm behaupteten Rechtfertigungsgrund für den komplett von ihm gelöschten Datenbestand vorzutragen, nachdem er den Löschvorgang ausgeführt und behauptet, für eine anderweitige Sicherung bzw. Speicherung und Verfügbarkeit des Datenbestands bei der Beklagten gesorgt zu haben. Das völlig pauschale Vorbringen des Klägers, er habe nur „aufgeräumt“ und Dateien gelöscht, welche nicht relevant bzw. ohnehin an anderen Speicherorten bereits vorhanden seien, ist nicht geeignet einen Rechtfertigungsgrund darzustellen und die Beklagte daraufhin zu veranlassen, dieses Vorbringen entkräften und einen Rechtfertigungsgrund ausschließen zu müssen. Zu den nicht vom Kläger gelöschten Daten gehören nahezu ausschließlich die Spesenabrechnungen (Seite 44 d. Anlage, Bl. 73 d. Akte ArbG) bzw. Monatsberichte (Seite 45 d. Anlage, Bl. 74 d. Akte ArbG) und Aufstellungen der Umsätze des Klägers (Seite 92 f. d. Anlage, Bl. 121 bis 122 d. Akte ArbG) dh. Dateien, die nach Ansicht des Klägers „wichtig“ und nicht zu löschen waren. Jedenfalls hat sich der Kläger auch zu diesen Dateien nicht eingelassen. Wenn der Kläger aber pauschal geltend macht, er habe nur „aufgeräumt“, wäre zu erwarten gewesen, dass sämtliche abgeschlossenen und - nach der Logik des Klägers - unwichtig gewordene Vorgänge bzw. anderweitig gespeicherte Vorgänge gelöscht worden wären. Bei den vom Kläger am 7. Februar 2019 nicht gelöschten Dateien (Spesen- bzw. Monatsberichte und Umsatzaufstellungen) handelt es sich - ausweislich deren Bezeichnung und deren Speicherdatums - weit überwiegend um Dateien aus weit zurückliegenden Zeiträumen (2016 oder 2017). Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, welche Bedeutung diese älteren Daten noch für das Arbeitsverhältnis im Jahr 2019 gehabt haben sollten. Dies passt jedenfalls nicht zum Vortrag des Klägers, nur nicht mehr relevante Dateien gelöscht zu haben. Der Kläger löschte mit mehr als 3.300 Dateien im Übrigen den kompletten restlichen Datenbestand im Verzeichnis, ohne einen Rechtfertigungsgrund im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen. Dass es sich - auch nur zum Teil - um rein private Dateien gehandelt hätte, behauptet auch der Kläger nicht.


    (d) Die Beklagte hat zudem zu einzelnen Dateien/Vorgängen beispielhaft weiter vorgetragen. Die Einlassungen des Klägers zu diesen Einzelfällen rechtfertigen die Datenlöschungen nicht bzw. waren nicht geeignet, die Beklagte zu weiterem Vortrag und ggf. Beweisantritt zu verpflichten, um den behaupteten Rechtfertigungsgrund auszuschließen.


    (aa) Der Kläger hat den Ordner mit den Dateien „Umsatzmeldungen“ gelöscht. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, die letzten zwei Auswertungen seien nicht mehr in die Präsentation für das Vertriebsmeeting aufgenommen - also nach seiner Einschätzung unwichtig. Auch seien die „entsprechenden Dateien bei den entsprechenden Handelsgruppen im Kundenordner hinterlegt“. Zudem seien die Dateien im Vorfeld auch an die Vertriebsleitung und Assistenz per Mail gesendet. Dies stellt keinen ausreichend konkreten Sachvortrag dar, um die Beklagte verpflichtet halten zu können, nunmehr bei „entsprechenden Handelsgruppen“ im Kundenordner die „entsprechenden Dateien“ zu suchen bzw. zu prüfen, ob „im Vorfeld“ - wann genau - an die Vertriebsleitung und Assistenz - jeweils an wen - E-Mails versendet wurden. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang gerade geltend gemacht, dass Einzelumsätze als Datenmaterial anderweitig abgespeichert waren, nicht jedoch die aufbereiteten, analysierten Umsatzmeldungen. Im Übrigen steht das Datenmaterial der Beklagten zu, nur diese hat über die Wichtigkeit und eine Löschung des Datenbestandes zu entscheiden, nicht der Kläger.


    (bb) Zu den Löschungen der Preislisten für das Absatzgebiet Schweiz hat der Kläger vorgetragen, die Dateien seien „im entsprechenden Ordner“ auf dem Server abgelegt. Im Kundenordner (insb. W. AG und M. H.) seien Excel Dateien und pdf-Dateien an den Kunden im Kundenordner hinterlegt und intern als Info an den Innendienst und die Vertriebsleitung gegangen. Auch diesem Vortrag lässt sich allenfalls zu einzelnen Kunden etwas entnehmen. Zu weiteren Dateien das Absatzgebiet Schweiz hat sich der Kläger nicht eingelassen.


    (cc) Gelöscht wurden ebenso Statistikdaten („Statistisches Bundesamt“). Dazu hat der Kläger vorgetragen, die Datei sei 2016 erstellt und nach einem Meeting 2016 nicht mehr angefragt worden, mithin also - nach seiner Auffassung - unwichtig. Diese Einschätzung und eine damit verbundene Datenlöschung steht nicht dem Kläger zu. Auch sei eine Kopie „zur entsprechenden Verwendung“ an die Vertriebsleitung gesendet worden. Wann das gewesen sein soll, bleibt ebenso unklar wie der konkrete Adressat. Zudem meint der Kläger, der Beklagten sei es zuzumuten, statt einer geordneten Struktur auf dem Server mit den einzelnen Datenbeständen sich aus E-Mailverkehren an verschiedene Personen die gelöschten Daten wieder zusammensuchen zu müssen bzw. eine versandte Email mit Dateianhang rechtfertige es, den geordneten Datenbestand auf dem Server löschen zu dürfen. Diese Entscheidung hatte ebenso allein die Beklagte zu treffen.


    (dd) Zu den gelöschten Dateien „Handel-Arbeitsschutz“ meint der Kläger, er sei zur Löschung berechtigt gewesen, weil die Datei „von einem befreundeten Geschäftskontakt“ gekommen sei. Aber auch solche Dateien bzw. Datensammlungen sind nach § 667 BGB an den Arbeitgeber herauszugeben und stehen allein diesem zu. Weiter macht der Kläger geltend, er habe damals dem Geschäftsführer die Datei per E-Mail zukommen lassen, dieser hätte aber damals keinen Bedarf gesehen und die Verwendung „abgelehnt“. Damit behauptet aber auch der Kläger nicht, der Geschäftsführer habe der Löschung zugestimmt. Selbst wenn der Geschäftsführer in der Vergangenheit nicht beabsichtigte, die Daten zu verwenden, würde eine Datenlöschung eine spätere Verwendung der Datei(en) unmöglich machen. Die Entscheidung zur Datenlöschung stand allein der Beklagten, nicht dem Kläger zu. Auch ein etwaiger Versand der Datei als E-Mailanhang rechtfertigt es nicht, einen geordneten Datenbestand zu löschen.


    (ee) Zu den gelöschten Dateien „[Produktname] Wettbewerbsanalyse“ meint der Kläger, er habe die Analyse auf eigene Initiative durchgeführt. Ungeachtet des Umstands, dass die Beklagte vorgetragen hat, die Analyse sei eine Sonderaufgabe gewesen, mach auch eine Eigeninitiative den Dateiinhalt nicht zum privaten Inhalt. Die Datei stand der Beklagten zu. Der Vortrag des Klägers, die Dateien seien „im entsprechenden Ordner (Artikelbeschreibungen)“ auf dem Server hinterlegt und an die Vertriebsleitung versendet worden, ist wiederum pauschal. Die Beklagte hat gerade geltend gemacht, dass es einen weiteren Speicherort nicht gebe. Der Mailversand rechtfertigt es auch hier nicht, einen geordneten Datenbestand zu löschen.


    (ff) Soweit der Kläger meint, die Löschung des Excel-Kalkulationstools damit rechtfertigen zu können, dass dieses an die Entwicklung und Vertriebsleitung gemailt und bei „der entsprechenden Maschine“ auf dem Server unter der Artikelbeschreibung abgelegt worden sei, ist auch dieser Vortrag wiederum völlig pauschal, zumal der Kläger selbst vorträgt, der weitere Verbleib sei ihm nach Umstellung der Serverstruktur nicht bekannt. Dies zeigt gerade, dass eine Datenlöschung in der Annahme, die Dateien seien „schon noch irgendwo anderweitig gespeichert“, nicht gerechtfertigt sein kann.


    (gg) Damit verbleibt allein die Datei zur Analyse Key-Account, zu der der Kläger insoweit nachvollziehbar vorgetragen hat, dass sich aus der Dateibezeichnung bereits ergebe, dass diese auf dem Server der Beklagten bereits abgelegt worden war. Zugunsten des Klägers kann allenfalls bezüglich dieser Datei davon ausgegangen werden, dass ein Rechtfertigungsgrund ausreichend substantiiert vorgetragen wurde. Die Beklagte hat sich insoweit nicht weiter eingelassen.


    bb) Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Kläger nicht bereits einschlägig abgemahnt war. Die Beklagte musste den Kläger nicht zuvor abmahnen. Der Kläger konnte angesichts der Umstände nicht mit der Billigung des Arbeitgebers rechnen. Soweit der Kläger meint, eine Abmahnung habe deshalb erfolgen müssen, weil jedenfalls Datenlöschungen im laufenden Arbeitsverhältnis nicht beanstandet worden seien, ist dem entgegen zu halten, dass Datenlöschungen im laufenden Arbeitsverhältnis etwa dann - anlassbezogen - stattfinden, wenn einzelne Projekte abgeschlossen sind. In einer solchen Konstellation wird ein Arbeitnehmer tatsächlich annehmen können, dass Vorversionen oder nicht finalisierte Dateien nicht mehr benötigt und von ihm gelöscht werden dürfen, wenn finalisierte Versionen des Datenbestands sicher abgelegt wurden. Jedenfalls wird ein Arbeitnehmer annehmen können, dass bei einer Datenlöschung von Vorversionen oder Dateikopien nach Abschluss einer Arbeitsaufgabe und sicherer Speicherung der finalen Versionen der Arbeitgeber nicht mit einer Kündigung reagieren wird. Die vorliegende Fallkonstellation unterscheidet sich jedoch erheblich davon. Die Geschäftsleitung der Beklagten hatte mit dem Kläger ein Trennungsgespräch geführt. Der Kläger verabschiedete sich daraufhin bei der Einkäuferin der Beklagten mit Handdruck und den Worten „man sieht sich immer zweimal im Leben“. Danach erschien der Kläger nicht mehr zur Arbeit, legte später eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor und machte auf dem Server in dem ihm als Mitarbeiter zugewiesenen Ordner durch Löschung von 3.352 Datei gleichsam „Tabula rasa“. Deutlicher kann man seinen Abkehrwillen und die Bereitschaft, „verbrannte Erde zu hinterlassen“ kaum zum Ausdruck bringen. Bei einer solchen - projektbezogen - anlasslosen Datenlöschung in beträchtlichem Umfang (7,48 GB an Daten) kann ein Arbeitnehmer nicht mit der Billigung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber rechnen. Vielmehr muss ein Arbeitnehmer, der Daten in erheblichem Umfang aus Anlass eines Personalgesprächs, in dem der Arbeitgeber seinen Trennungswunsch geäußert hat, löscht, gerade davon ausgehen, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten nicht hinnehmen werde.


    cc) Auch die vorzunehmende Interessenabwägung geht zugunsten der Beklagten aus. Dieser ist es nicht zuzumuten, den Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (31. März 2019) weiter zu beschäftigen.


    (1) Zugunsten des Klägers kann nur der rund dreijährige Bestand des Arbeitsverhältnisses seit dem 1. Februar 2016 berücksichtigt werden, nachdem das vorherige Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bereits am 31. Mai 2015 geendet hatte und infolge der achtmonatigen Unterbrechung und des Umstands, dass der Beendigungswunsch vom Kläger ausging, ein enger sachlicher Zusammenhang mit dem seit dem 1. Februar 2016 bestehenden Arbeitsverhältnis nicht mehr angenommen werden kann (vgl. dazu: BAG 12. Februar 2015 - 6 AZR 831/13 - Rn. 30, BAGE 150, 380; 19. Juni 2007 - 2 AZR 94/06 - Rn. 11 ff., BAGE 123, 185). Von einer langjährigen Betriebszugehörigkeit kann angesichts dieser Daten nicht ausgegangen werden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers bestand zudem seit dem 1. Februar 2016 nicht ungestört. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2018 hatte die Beklagte den Kläger wegen Verstoßes gegen die ihm auferlegte Verpflichtung, freitags eine Wochenplanung für die Folgewoche vorzulegen, abgemahnt. Daher kann von einer ungestörten Betriebszugehörigkeit seit dem 1. Februar 2016 gerade nicht ausgegangen werden.


    (2) Zugunsten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass die Pflichtverletzung - die Löschung mehr als 3.300 Dateien (ca. 7,48 GB) - erheblich ist. Zumal der Anlass der Datenlöschung - die Beklagte hatte die Initiative ergriffen, das Arbeitsverhältnis des Klägers durch Aufhebungsvertrag zu beenden und hat hierzu einen (aus Sicht des Klägers nicht akzeptablen) Vorschlag unterbreitet - nichts mit einzelnen Projekten oder Arbeiten des Klägers und deren Stadium zu tun hatte. Der Kläger hat den von der Beklagten geäußerten Trennungswunsch schlicht zum Anlass genommen, der Beklagten zustehende Dateien in beträchtlichen Umfang zu löschen, ohne hierzu befugt zu sein. Dem Kläger ist auch ein erheblicher Verschuldensvorwurf zu machen. Der Kläger hat nicht versehentlich über 3.300 Dateien gelöscht, sondern ganz bewusst, dh. vorsätzlich, nachdem die Beklagte ihm mitgeteilt hatte, das Arbeitsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags beenden zu wollen. Auch angesichts diese Verhaltens muss befürchtet werden, dass der Kläger in anderen möglichen Konfliktsituationen in ähnlicher Weise reagieren wird.


    (3) In Abwägung sämtlicher Gesichtspunkte war der Beklagten ein Festhalten am Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten. Das Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit des Klägers ist unwiederbringlich zerstört, wenn dieser angesichts einer Konfliktsituation im Arbeitsverhältnis mit einer Löschung von Daten in beträchtlichem Umfang reagiert, so dass die Beklagte angesichts des objektiven Erklärungswerts dieses Verhaltens tatsächlich annehmen durfte, der Kläger wolle „verbrannte Erde“ interlassen.


    2. Die Beklagte hat auch die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.


    a) Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Norm enthält einen gesetzlich konkretisierten Verwirkungstatbestand (vgl. BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44). Die Frist beginnt, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände (vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 30; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44). Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden (vgl. BAG 27. Juni 2019 - 2 ABR 2/19 - Rn. 23, NZA 2019, 1415). Es genügt nicht allein die Kenntnis des konkreten, die Kündigung auslösenden Anlasses, dh. des „Vorfalls“, der einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen soll. Bei einer vom Arbeitgeber erklärten außerordentlichen Kündigung gehören auch solche Aspekte zum Kündigungssachverhalt, die für den Arbeitnehmer und gegen die Kündigung sprechen. Außerdem gehört es zu den vom Kündigungsberechtigten zu ergründenden maßgeblichen Umständen, mögliche Beweismittel für eine ermittelte Pflichtverletzung zu beschaffen und zu sichern (vgl. BAG 1. Februar 2007 - 2 AZR 333/06 - Rn. 18, EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3). Solange der Arbeitgeber die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßen Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, aaO). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht. Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt. Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme für den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, nunmehr auf dessen Anhörung zu verzichten. Ein solch nachträglicher Wegfall des ursprünglichen Aufschubs käme nur in Frage, wenn der betreffende Entschluss des Arbeitgebers auf Willkür beruhte. Davon kann die Rede nicht sein, wenn Anlass für den neuen Entschluss der Umstand ist, dass sich der Arbeitnehmer innerhalb einer ihm gesetzten, angemessenen Frist nicht geäußert hat (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 54).


    b) Danach hat die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist gewahrt. Der Geschäftsführer der Beklagten hat am 7. Februar 2019 von den Datenlöschungen Kenntnis erlangt, was die Beklagte zum Anlass nahm, den Kläger mit Schreiben vom 11. Februar 2019 anzuhören, um den Sachverhalt weiter aufzuklären. Dem Kläger war eine Frist bis 19. Februar 2019 gesetzt, die der Kläger nicht nutzte. Infolge der ergriffenen Aufklärungsmaßnahmen lief die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht vor Ablauf der dem Kläger gesetzten Frist an. Deshalb ist es unerheblich, dass die Kündigung dem Kläger am 21. Februar 2019 zuging. Die Kündigungserklärungsfrist ist in jedem Fall gewahrt.


    III.


    Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis wurde bereits durch die außerordentlich fristlose Kündigung vom 20. Februar 2019 beendet.


    B.

    Nachdem das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg, dasjenige des Klägers keinen Erfolg hatte, sind die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz im Verhältnis 90% (Kläger) zu 10% (Beklagte) von den Parteien zu tragen, § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen, §§ 91 Abs. 1 ZPO, 97 Abs. 1 ZPO.


    C.

    Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nach Maßgabe von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

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