7 C 26.16 und 7 C 30.17 - Die­sel-Ver­kehrs­ver­bo­te aus­nahms­wei­se mög­lich

  • Luft­rein­hal­te­plä­ne Düs­sel­dorf und Stutt­gart: Die­sel-Ver­kehrs­ver­bo­te aus­nahms­wei­se mög­lich

    Mit zwei Ur­tei­len hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heu­te die Sprung­re­vi­sio­nen der Län­der Nord­rhein-West­fa­len (BVer­wG 7 C 26.16) und Ba­den-Würt­tem­berg (BVer­wG 7 C 30.17) ge­gen erst­in­stanz­li­che Ge­richts­ent­schei­dun­gen der Ver­wal­tungs­ge­rich­te Düs­sel­dorf und Stutt­gart zur Fort­schrei­bung der Luft­rein­hal­te­plä­ne Düs­sel­dorf und Stutt­gart über­wie­gend zu­rück­ge­wie­sen. Al­ler­dings sind bei der Prü­fung von Ver­kehrs­ver­bo­ten für Die­sel-Kraft­fahr­zeu­ge ge­richt­li­che Ma­ß­ga­ben ins­be­son­de­re zur Wah­rung der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit zu be­ach­ten.


    Das Ver­wal­tungs­ge­richt Düs­sel­dorf ver­pflich­te­te das Land Nord­rhein-West­fa­len auf Kla­ge der Deut­schen Um­welt­hil­fe, den Luft­rein­hal­te­plan für Düs­sel­dorf so zu än­dern, dass die­ser die er­for­der­li­chen Maß­nah­men zur schnellst­mög­li­chen Ein­hal­tung des über ein Jahr ge­mit­tel­ten Grenz­wer­tes für Stick­stoff­di­oxid (NO2) in Hö­he von 40 µg/m³ im Stadt­ge­biet Düs­sel­dorf ent­hält. Der Be­klag­te sei ver­pflich­tet, im We­ge ei­ner Än­de­rung des Luft­rein­hal­te­plans wei­te­re Maß­nah­men zur Be­schrän­kung der Emis­sio­nen von Die­sel­fahr­zeu­gen zu prü­fen. Be­schränk­te Fahr­ver­bo­te für be­stimm­te Die­sel­fahr­zeu­ge sei­en recht­lich und tat­säch­lich nicht aus­ge­schlos­sen.


    Das Ver­wal­tungs­ge­richt Stutt­gart ver­pflich­te­te das Land Ba­den-Würt­tem­berg, den Luft­rein­hal­te­plan für Stutt­gart so zu er­gän­zen, dass die­ser die er­for­der­li­chen Maß­nah­men zur schnellst­mög­li­chen Ein­hal­tung des über ein Ka­len­der­jahr ge­mit­tel­ten Im­mis­si­ons­grenz­wer­tes für NO2 in Hö­he von 40 µg/m³ und des Stun­den­grenz­wer­tes für NO2 von 200 µg/m³ bei ma­xi­mal 18 zu­ge­las­se­nen Über­schrei­tun­gen im Ka­len­der­jahr in der Um­welt­zo­ne Stutt­gart ent­hält. Der Be­klag­te ha­be ein ganz­jäh­ri­ges Ver­kehrs­ver­bot für al­le Kraft­fahr­zeu­ge mit Die­sel­mo­to­ren un­ter­halb der Schad­stoff­klas­se Eu­ro 6 so­wie für al­le Kraft­fahr­zeu­ge mit Ot­to­mo­to­ren un­ter­halb der Schad­stoff­klas­se Eu­ro 3 in der Um­welt­zo­ne Stutt­gart in Be­tracht zu zie­hen.


    Die ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Ur­tei­le sind vor dem Hin­ter­grund des Uni­ons­rechts über­wie­gend nicht zu be­an­stan­den. Uni­ons­recht und Bun­des­recht ver­pflich­ten da­zu, durch in Luft­rein­hal­te­plä­nen ent­hal­te­ne ge­eig­ne­te Maß­nah­men den Zeit­raum ei­ner Über­schrei­tung der seit 1. Ja­nu­ar 2010 gel­ten­den Grenz­wer­te für NO­so kurz wie mög­lich zu hal­ten.


    Ent­ge­gen der An­nah­men der Ver­wal­tungs­ge­rich­te lässt das Bun­des­recht zo­nen- wie stre­cken­be­zo­ge­ne Ver­kehrs­ver­bo­te spe­zi­ell für Die­sel-Kraft­fahr­zeu­ge je­doch nicht zu. Nach der bun­des­recht­li­chen Ver­ord­nung zur Kenn­zeich­nung der Kraft­fahr­zeu­ge mit ge­rin­gem Bei­trag zur Schad­stoff­be­las­tung („Pla­ket­ten­re­ge­lung“) ist der Er­lass von Ver­kehrs­ver­bo­ten, die an das Emis­si­ons­ver­hal­ten von Kraft­fahr­zeu­gen an­knüp­fen, bei der Luft­rein­hal­te­pla­nung viel­mehr nur nach de­ren Ma­ß­ga­ben mög­lich (ro­te, gel­be und grü­ne Pla­ket­te).


    Mit Blick auf die uni­ons­recht­li­che Ver­pflich­tung zur schnellst­mög­li­chen Ein­hal­tung der NO2-Grenz­wer­te er­gibt sich je­doch aus der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on, dass na­tio­na­les Recht, des­sen uni­ons­rechts­kon­for­me Aus­le­gung nicht mög­lich ist, un­an­ge­wen­det blei­ben muss, wenn dies für die vol­le Wirk­sam­keit des Uni­ons­rechts er­for­der­lich ist. Des­halb blei­ben die „Pla­ket­ten­re­ge­lung“ so­wie die StVO, so­weit die­se der Ver­pflich­tung zur Grenz­wertein­hal­tung ent­ge­gen­ste­hen, un­an­ge­wen­det, wenn ein Ver­kehrs­ver­bot für Die­sel-Kraft­fahr­zeu­ge sich als die ein­zig ge­eig­ne­te Maß­nah­me er­weist, den Zeit­raum ei­ner Nicht­ein­hal­tung der NO2-Grenz­wer­te so kurz wie mög­lich zu hal­ten.


    Hin­sicht­lich des Luft­rein­hal­te­plans Stutt­gart hat das Ver­wal­tungs­ge­richt in tat­säch­li­cher Hin­sicht fest­ge­stellt, dass le­dig­lich ein Ver­kehrs­ver­bot für al­le Kraft­fahr­zeu­ge mit Die­sel­mo­to­ren un­ter­halb der Schad­stoff­klas­se Eu­ro 6 so­wie für al­le Kraft­fahr­zeu­ge mit Ot­to­mo­to­ren un­ter­halb der Schad­stoff­klas­se Eu­ro 3 in der Um­welt­zo­ne Stutt­gart ei­ne ge­eig­ne­te Luft­rein­hal­te­maß­nah­me dar­stellt.


    Bei Er­lass die­ser Maß­nah­me wird je­doch - wie bei al­len in ei­nen Luft­rein­hal­te­plan auf­ge­nom­me­nen Maß­nah­men - si­cher­zu­stel­len sein, dass der auch im Uni­ons­recht ver­an­ker­te Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ge­wahrt bleibt. In­so­weit ist hin­sicht­lich der Um­welt­zo­ne Stutt­gart ei­ne pha­sen­wei­se Ein­füh­rung von Ver­kehrs­ver­bo­ten, die in ei­ner ers­ten Stu­fe nur äl­te­re Fahr­zeu­ge (et­wa bis zur Ab­gas­norm Eu­ro 4) be­trifft, zu prü­fen. Zur Her­stel­lung der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit dür­fen Eu­ro-5-Fahr­zeu­ge je­den­falls nicht vor dem 1. Sep­tem­ber 2019 (mit­hin al­so vier Jah­re nach Ein­füh­rung der Ab­gas­norm Eu­ro 6) mit Ver­kehrs­ver­bo­ten be­legt wer­den. Dar­über hin­aus be­darf es hin­rei­chen­der Aus­nah­men, z.B. für Hand­wer­ker oder be­stimm­te An­woh­ner­grup­pen.


    Hin­sicht­lich des Luft­rein­hal­te­plans Düs­sel­dorf hat das Ver­wal­tungs­ge­richt fest­ge­stellt, dass Maß­nah­men zur Be­gren­zung der von Die­sel­fahr­zeu­gen aus­ge­hen­den Emis­sio­nen nicht ernst­haft in den Blick ge­nom­men wor­den sind. Dies wird der Be­klag­te nach­zu­ho­len ha­ben. Er­gibt sich bei der Prü­fung, dass sich Ver­kehrs­ver­bo­te für Die­sel-Kraft­fahr­zeu­ge als die ein­zig ge­eig­ne­ten Maß­nah­men zur schnellst­mög­li­chen Ein­hal­tung über­schrit­te­ner NO2-Grenz­wer­te dar­stel­len, sind die­se - un­ter Wah­rung des Grund­sat­zes der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit - in Be­tracht zu zie­hen.


    Die StVO er­mög­licht die Be­schil­de­rung so­wohl zo­na­ler als auch stre­cken­be­zo­ge­ner Ver­kehrs­ver­bo­te für Die­sel-Kraft­fahr­zeu­ge. Der Voll­zug sol­cher Ver­bo­te ist zwar ge­gen­über ei­ner „Pla­ket­ten­re­ge­lung“ deut­lich er­schwert. Dies führt al­ler­dings nicht zur Rechts­wid­rig­keit der Re­ge­lung.


    BVer­wG 7 C 26.16 - Ur­teil vom 27. Fe­bru­ar 2018 - BVerwG PM 09/2018

    Vor­in­stanz:

    VG Düs­sel­dorf, 3 K 7695/15 - Ur­teil vom 13. Sep­tem­ber 2016 -



    BVer­wG 7 C 30.17 - Ur­teil vom 27. Fe­bru­ar 2018

    Vor­in­stanz:

    VG Stutt­gart, 13 K 5412/15 - Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 -

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